Heiliges Land, Israel-Krieg, Islam-Politik

Neu in der orthodoxen Kirche - Wie lebe ich als orthodoxer Christ? Alle allgemeinen Fragen rund um die Orthodoxie.
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peter
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Heiliges Land, Israel-Krieg, Islam-Politik

Beitrag von peter »

Liebe Orthodoxe Freunde !

Ist das Eisen etwa zu heiß, das Herz zu kalt oder der Geist zu träge ? Will denn niemand unter uns sein Wort erheben ? Ist das Thema etwa schon ausgereizt oder für Euch ein theologischer Tabubruch ? Sind denn Christen nicht auch politische Menschen ? Oder liege ich hier völlig falsch ? Gibt es nicht gerade im Nahen Osten einen bedeutenden Rest von Orthodoxie, unter dem Druck zweier Seiten ? Was können wir tun ? Sollen wir etwas tun ? Gott helfe mir.

Entschuldigt bitte, aber ich bin neu hier.

Peter
"Selig sind die, die nicht gesehen und doch geglaubt haben" (Joh. 20,31)
Ehre sei Dir oh Herr

Beitrag von Ehre sei Dir oh Herr »

Guten Abend, lieber Peter,

nun, das Thema dieses Krieges ist recht brisant, wie ich finde und man kann es durchaus auch aus verschiedenen Gesichtspunkten sehen.
Politisch, also als weltlicher Mensch aber auch aus biblischer Perspektive in Richtung Endzeit, Apokalypse usw...

Als Christen können und dürfen wir jederzeit unseren Herrn bitten, beten. Was können wir politisch tun? Wählen gehen, so wie ich das sehe, das geringste Übel aussuchen und ankreuzen (das ist natürlich eine persönliche Befindlichkeit). Dabei ist einerseits auch die heutige Bibelstelle Röm 13,1-10 zu beachten, andererseits auch die persönliche Entscheidungsfreiheit (wobei das eine das andere ja nicht unbedingt ausschließt...).
M.E. gibt es noch keine Christlich Orthodoxe Partei wie es z.B. die ev.Christen in der PBC haben. Oder kennt jemand eine?

Was meint Ihr dazu?

In Christo

René
Zuletzt geändert von Ehre sei Dir oh Herr am 06.08.2006, 18:27, insgesamt 1-mal geändert.
Milo
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Beitrag von Milo »

Grüß Gott lieber Peter!


Luk 21.9Wenn ihr aber hören werdet von Kriegen und Aufruhr, so entsetzt euch nicht. Denn das muß zuvor geschehen; aber das Ende ist noch nicht so bald da.

Es gibt täglich soviel Entsetzen, Ungerechtigkeit, Leid...
aber wer heute und gestern schon nicht für Frieden gebetet hat, seinem Nächsten geholfen hat, die Stimme gegen Unrecht erhoben hat, wird es auch morgen nicht tun! Das ist meine Meinung. Dazu brauchen wir keine politischen Kampagnen, Parteien gründen...
Wir müssen nur das tun was auch schon die ersten christlichen Gläubigen taten...und diese wussten nicht was am anderen Ende der Welt im moment geschieht.
Lassen wir uns nicht vom Zeitgeist einfangen, der vor allem menschlich-politisch denkt, sondern gründen wir unser tägliches Denken eshatologisch...in dem ewigen Kommen unseres HErrn...in der Liturgie.

In diesem Sinne hören wir was uns der HErr sagt:

Joh 14.27 Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.


Dein unwürdiger br. milo
peter
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Beitrag von peter »

Nun ist also der Israel-Krieg, kaum das man aufschaut, schon wieder vorbei, mehr als tausend Tote, die südlibanesische Hisbollah zurückgebombt, eine neue deutsche Marine-Sicherung in Nahost bewilligt, und alles geht seinen
selbstverständlichen Gang. Ich bin etwas enttäuscht, daß Eure Stellungnahmen in diesem Zusammenhang so karg ausfallen. Dabei wäre doch äußerst wichtig, zu klären, in welcher Lage sich die Orthodoxie im Nahen Osten und im Heiligen Land aktuell befindet. Die Nachrichten aus dem Irak, daß Christen mehr und mehr aus dem Land gedrängt werden, daß die christlichen Palästinenser z.B. in Bethlehem immer weniger präsent sind, gibt Euch das nicht zu denken ? Dürfen z.B. Islamisten eine katholische Ordensschwester einfach abschießen ohne öffentlichen Protest ? Und was sagt ihr zur "Vorwärtsverteidigung" Israels. Übrigens, lieber René, wie Du weißt, gibt es neben der "protestantischen" PBC (Partei bibeltreuer Christen), die judaisierend Jerusalem als künftige Welthauptstadt begrüßt, noch die "katholische" CM, welche etwas orthodoxer auch Israel in Frage stellt und wohl als einzige Kraft im Lande die Taquiya (Lüge / Heuchelei) und weltweite Mörderei des Islamismus
öffentlich angreift. Die Stellungnahme des Papstes in diesem Zusammenhang war ja ein mehr als bescheidener Beitrag. Und trotzdem wurde schon hier zurückgeschossen. Eine Christlich-Orthodoxe Partei Deutschlands würde sicher mehr differenzieren, aber man muß ja mit dem Gegebenen leben, es sei denn, wir würden aktiv und kreativ. Diese Frage stellt sich mir seit langem, ob Orthodoxie "nachbeten" heißt, oder auch "vorausbeten".

Euer Peter
"Selig sind die, die nicht gesehen und doch geglaubt haben" (Joh. 20,31)
protopeter
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Beitrag von protopeter »

Lieber Peter !

Ihre Reflexion, ob das Wesen der Orthodoxie im "Nachbeten" oder "Vorausbeten" bestehen sollte, ist nicht nur im Zusammenhang mit den Bedrängungen im Nahen Osten von Bedeutung: Sie haben recht, wenn Sie Engagement einfordern - ein Engagement, das von orthodoxen Kreisen, die imstande sind, frei zu sprechen, geleistet werden müßte; fraglos kommt es aber auch darauf an, diese Hilfe als Ausdruck unseres Glaubens in gemäßer Form zu erbringen.

Es ist bekannt, daß die Orthodoxe Kirche des Patriarchats Jerusalem seit etwa drei Jahrzehnten einem sich ständig steigernden Exodus ihrer palästinensischen Gläubigen hilflos zusehen muß; die Gründe dafür sind nur allzu evident. Als Folge der Abwanderung christlicher Bevölkerungsteile geben nun unter anderem gewisse militant-islamische Kreise vor, einen Alleinvertretungsanspruch für alle Palästinenser wahrzunehmen; somit entsteht nach außen ein äußerst problematischer Eindruck, infolgedessen auch unsere palästinensischen orthodoxen Glaubensbrüder von Seiten der sich als "christlich sozialisiert" bezeichneten Gesellschaften mit jeglichen terroristischen Aktivitäten (die angeblich "im Namen des palästinensischen Volkes" verübt würden!) identifiziert werden.

Eine vorrangige Aufgabe wäre es ebenso, in den - vorgeblich "freien" - Medien entsprechend differenzierte Informationen zu vermitteln: Dies geschieht - wenn überhaupt - nur äußerst sporadisch; aus eigener Gesprächserfahrung kann ich sagen, daß Kenntnisse über eine aktive Existenz der Orthodoxen Kirche im Nahen Osten (auch bei ansonsten relativ gut mit der Allgemeinsituation Vertrauten) nahezu nicht vorhanden sind - zumeist nimmt man in diesem Zusammenhang die Orthodoxie in dieser Weltgegend als ein "Relikt aus alter Zeit" wahr.

Die Frage einer parteipolitischen Präsenz orthodoxer Prägung halte ich sowohl für bedenkenswert als vor allem auch für bedenklich - hier besteht die Gefahr, daß Wertvorstellungen, die ihren Ursprung in der gottmenschlichen Offenbarung finden, allzu leicht Opfer "realpolitischer" Überlegungen werden könnten. Eine von Menschen verantwortete Politik lebt (leider) auch von menschengemachten Kompromissen - diesem Ansinnen zu entsprechen wäre es keinesfalls vertretbar, letztlich Grundwerte des Glaubens zur Diskussion stellen zu müssen.

Was nun generell das Verhältnis von Christentum und Staatsmacht betrifft, so prägte Archimandrit Justin Popovic einen - meines Erachtens - passenden Ausspruch: Er sagte, daß diverse Vertreter der Kirche angesichts der sogenannten "Konstantinischen Wende" im 4. Jahrhundert und den daraus folgenden jahrhundertelangen Entwicklungen "allzu oft ihre Unschuld verloren und sich viel zu häufig dem weltlich-breiten Weg zugewandt" hätten. Der Orthodoxen Kirche als gottmenschlich-synergischer Gemeinschaft sind andere als staats-, und parteipolitische Aufgaben anheimgestellt; fraglos sind allerdings alle Glieder der Kirche dazu gerufen, ihre aus dem Glauben kommende soziale Verantwortung, die nach der Offenbarung der Heiligen Schrift und gemäß entsprechender kirchenväterlicher Interpretation als Wesenselement des Nächstenliebegebotes gilt, wahrzunehmen.

Mit den besten Segenswünschen grüßt
Erzpr. Peter
Ehre sei Dir oh Herr

Beitrag von Ehre sei Dir oh Herr »

Hallo Ihr Lieben, Vater, segnen Sie;

diese Verantwortung kann man ja in mehreren Hinsichten wahrnehmen.
Zum einen, als Orthodoxe Christen (natürlich auch die anderen Brüder und Schwestern) im Gebet
(Rette, Herr, und erbarme Dich unseres von Gott behüteten Landes, und aller, die es regieren und beschützen, damit wir ein ruhiges und stillen Leben führen können in aller Frömmigkeit und Lauterkeit.
(Verbeugung)
Dazu könnte man sagen, dass es schon seinen Sinn hat, dass uns der Herr hier her gesetzt hat, da wo wir leben. Die Aussagen mancher, wie ich schon öfter hören musste, dass jedes Land seine Regierung verdient hat, kommentiere ich nicht weiter. Einzig die Tilgung begangener Sünden könnte mir da einfallen, aber ich bin zu unwürdig dieses beurteilen zu können...
Nun, zum anderen muß man natürlich nicht alles hinnehmen, was uns die Politiker so auftischen und man kann bei der nächsten Wahl das geringere Übel wählen, sozusagen.
Die Meinung in wie weit unsere großen Christlichen Parteien sich wirklich Christlich nennen dürfen überlassen ich jedem Einzelnen und das Urteil unserm Herrn.
Blicke in Richtung Afrika, Libanon, Afganistan, Serbien reichen um zu fragen, was die Aufgaben der Bundeswehr sind... Den Fall der Deutschen, "unserer" "Landesverteidigung", die sich in einem Orthodoxen loster breit machen muß, wie berichtet wurde, ist da nur ein Punkt.
Den Kurier der Christlichen Mitte, der angesprochen wurde, habe ich auch schon in den Händen gehabt. Da bin ich etwas geteilter Ansicht.
Einerseits begrüße ich sehr, dass jemand überhaupt sich traut, noch etwas gegen die Gotteslästerung oder den Islamistischen Terror zu sagen (z.B. Oper Berlin hat Mozart Oper sicherheitshalber aus dem Programm gestrichen...), auch gegen die Drohungen gegen den Papst usw.... auch das Hervorheben des Vortschreitenden sittlichen Verfals und die Sündhaftigkeit (Abtreibung, Homosexualität usw...) wird sehr direkt angesprochen.
Das ist einerseits sehr richtig, aber andererseits kann man sich des Eindrucks nicht erwähren, dass die Ausführungen zu direkt sind und mit christlicher Nächstenliebe nicht viel zu tun haben...
Natürlich sind viele Dinge Sünde, aber wir sind auch aufgerufen, den Sündern etwas beizustehen, mit Ihnen (so sie auch wollen) und für sie zu beten, Ihnen mit Rat und Tat, mit unserem Gebet beizustehen...
Der Rat des geistlichen Vaters wird die Richtung weisen...

Eine Orthodoxe Politische Partei ist aber schon bedenklich.
In dem Werk "Die Grundlagen der Sozialdoktrin der Russisch-Orthodoxen Kirche" heißt es nicht umsonst u.a.:

V.2. In Befolgung des göttlichen Befehls hat die Kirche die Aufgabe, für die Einheit ihrer Kinder, für Frieden und Harmonie in der Gesellschaft sowie für die Einbeziehung aller ihrer Mitglieder in die gemeinsame schöpferische Arbeit Sorge zu tragen. Die Kirche ist berufen, den Frieden zu predigen und ihn in gemeinschaftlicher Bemühung mit der Gesellschaft, die für sie eine äußere ist, zu erwirken: ?Soweit es euch möglich ist, haltet mit allen Menschen Frieden" (Rom 12.18); ?Strebt voll Eifer nach Frieden mit allen" (Hebr 12.14). Von noch größerer Wichtigkeit für sie ist jedoch die innere Eintracht im Glauben und in der Liebe: ?Ich ermahne euch aber, Brüder, im Namen Jesu Christi, unseres Herrn: Seid alle einmütig (...); seid ganz eines Sinnes und einer Meinung" (1 Kor 1.10). Für die Kirche verkörpert ihre Vollkommenheit als sakramentaler Leib Christi (Eph 1.23), von dessen unversehrtem Dasein das ewige Heil des Menschen abhängt, den allerhöchsten Wert. Der hl. Ignatius von Antiochien schreibt, den Gliedern der Kirche Christi zugewandt: ?Seid alle wie ein Tempel Gottes, wie eine Opfergabe, wie der eine Jesus."

Im Angesicht der politischen Meinungsverschiedenheiten, Widersprüche und Kämpfe predigt die Kirche Frieden und Zusammenarbeit unter den Menschen, die unterschiedlichen politischen Ansichten anhängen. Des weiteren duldet sie auch verschiedene politische Überzeugungen in der Mitte des Episkopats, des Klerus sowie der Laien, mit Ausnahme solcher, die offensichtlich zu Taten führen, die der orthodoxen Glaubenslehre und den moralischen Normen der kirchlichen Überlieferung widersprechen.

Untersagt ist die Teilnahme der Kirchenleitung und der Geistlichen, folglich auch der ganzen Kirche in ihrer Vollkommenheit, an der Tätigkeit politischer Organisationen, an Wahlaktionen wie etwa öffentlicher Unterstützung an Wahlen beteiligter politischer Gruppierungen oder einzelner Kandidaten, an Wahlkampfwerbung usw. Die Nominierung von Geistlichen zu den Wahlen jeglicher Repräsentativorgane der Macht auf allen Ebenen ist unzulässig. Gleichzeitig soll den Hierarchen, Geistlichen und Laien - gleich den anderen Bürgern - die Teilnahme an den Willensäußerungen des Volkes auf dem Weg der Stimmabgabe freistehen.

Natürlich ist diese Sozialdoktrin eine Leitschnur, richtungsgebend als Hilfe gedacht und kein Korsett, aber die Begründungen sehr beachtenswert, wie ich finde.

Quelle: http://orthodoxeurope.org/page/3/16.aspx

herzliche Grüße
René
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