Gott und die Vernunft

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Nassos
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Re: Gott und die Vernunft

Beitrag von Nassos »

Hallo Hermann,

aus heutigem Anlass und im Geiste des Triodions, aus dem Kanon des Hl. Andreas von Kreta, Vierter Abschnitt, vierte Ode (Theotokion?)

Du bist Mutter und Jungfrau und bleibstin beidem wirkliche Jungfrau. Das Kind schafft neu die Gesetze der Natur. Der Schoß gebiert ohne Zeugung. Wenn Gott es will, steht still die Ordnung der Natur. Denn er wirkt, was er will.

In dieser ganzen Fragestellung der Naturgesetze und der Vernunft ist uns Christen unsere Allheilige eine zentrale Person. Wir dürfen nicht ohne Ihrer zu gedenken an diese Fragestellung. Das ist mir heute durch den Kopf gegangen und ich habe wieder an Vater Schmemanns "Mutter Gottes" gedacht.

Lieben Gruß,
Nassos
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Hermann
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Re: Gott und die Vernunft

Beitrag von Hermann »

Hallo Nassos!

Die von dir zitierte Stelle erinnert mich an eine Stelle im Akathistos (9. Ikos), wo ich immer schmunzeln muss, weil die Stelle zeigt, dass Humor und ein wenig Ironie auch im Gebet ihren Platz haben:
Die wortreichen Rhetoren verstummen vor dir, Gottesgebärerin, wie Fische; denn sie können nicht sagen, wie du gebarst und dennoch Jungfrau bliebst. Wir aber staunen ob des Mysteriums und rufen gläubig dir zu:
Das zeigt irgendwie, rational ist man bald an der Grenze, was bleibt ist das Schauen und Staunen. Oder es wie die Gottesgebärerin machen, etwas was man nicht versteht ins Herz zu schließen
Da sagte er zu ihnen: Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört? Doch sie verstanden nicht, was er damit sagen wollte. Dann kehrte er mit ihnen nach Nazaret zurück und war ihnen gehorsam. Seine Mutter bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen.
Und da fällt mir noch etwas ein: Wenn ich einem meiner typischen Tiroler Landsleute die Kausalitätslehre des Hl. Nikolaj Velimirovic erklären wollte, dann würde man mich höchstens zum Spinner erklären. Wenn man aber viele Sprüche auf Gipfelkreuzen oder in Gipfelbüchern liest, verstehen sie die konkrete Natur sehr wohl als Werk Gottes - aber das Verstehen ist mehr ein Schauendes als ein Rationales.

Liebe Grüße, Hermann
Sucht zuerst das Reich Gottes, alles andere wird euch hinzugeschenkt.
Nassos
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Re: Gott und die Vernunft

Beitrag von Nassos »

Lieber Hermann,

seit diesem Thread fällt mir die Stelle im Gebetsbuch "...und erleuchte unseren Verstand durch das Licht Deiner Vernunft..." - und nun frage ich mich zum ersten mal, was ist mit der "Deiner Vernunft" gemeint?

Lieben Gruß,
Nassos
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Hermann
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Re: Gott und die Vernunft

Beitrag von Hermann »

Mit großer Freude habe ich auf bogoslov.ru heute diesen Artikel entdeckt: О «потопной» гипотезе происхождения осадочного слоя земной коры. Leider gibts den Artikel bisher nur auf russisch. Die Autorin, eine Fachgeologin, setzt sich darin kritisch mit den Thesen von S. Wertjanov auseinander, der unter anderem die Sintflut-These auch im naturwissenschaftlichen Sinn vertritt. Mit ihrer fachgeologischen Kenntnis kann sie viele Thesen von Wertjanov als wissenschaftlich nicht haltbar zurückweisen. Die Autorin selbst bekennt sich übrigens zur orthodoxen Kirche.

Und noch zu dir, lieber Nassos,
Nassos hat geschrieben: seit diesem Thread fällt mir die Stelle im Gebetsbuch "...und erleuchte unseren Verstand durch das Licht Deiner Vernunft..." - und nun frage ich mich zum ersten mal, was ist mit der "Deiner Vernunft" gemeint?
Vielleicht ist die Vernunft Gottes eine Vernunft der Seligpreisungen,..., eine Vernunft, die Christus davor bewahrt hat, den Versuchungen des Teufels zu erliegen usw. ...ich sehe das jetzt einmal biblisch.

Liebe Grüße, Hermann
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Nassos
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Re: Gott und die Vernunft

Beitrag von Nassos »

ich denke es hat mit dem Zustand des Menschen zu tun, bevor er fiel. Da war sein ganzes Denken pausenlos auf Gott ausgerichtet (im Gegensatz zur alogischen Schöpfung?). Demnach würde das bedeuten, dass unsere Vernunft nach dem Fall sehr beschränkt ist und wir - was das Göttliche angeht - nicht so sehr darauf vertrauen sollten (das erinnert mich an den Transparenzstrang). Aber ich verlasse hier soeben sichergeglaubtes Terrain. Man möge mich korrigieren und belehren, bitte.
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Igor
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Re: Gott und die Vernunft

Beitrag von Igor »

Grüß Gott!

In einem weiteren Artikel auf bogoslov.ru wird das Thema "Glaube und Wissenschaft" anhand eines Tagungsbeitrags weiter beleuchtet:

:arrow: Science, Creation and the Seeking of Truth in Orthodox Christian Theology
In this lecture, given at Manchester Metropolitan University in 2011, Fr Gregory Hallam argues for the compatibility of religion and science. Tracing the history of the relationship between Christianity and science in both the east and west, he suggests that the perceived conflict between the two is in fact a phoney war based on inaccurate views of both camps, and that Orthodox Christianity has many interesting insights to offer in the debate.
In Christo
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Als der Höchste hernieder fuhr, verwirrte Er die Sprachen, zerteilte Er die Völker, nun, da Er Feuerzungen ausgeteilt, ruft Er alle zur Einheit: Einmütig preisen wir deshalb den Heiligen Geist. (Pfingstkondakion im 8. Ton)
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Igor
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Re: Gott und die Vernunft

Beitrag von Igor »

Noch ein Artikel zum gleichen Themenfeld:

:arrow: Glaube und naturwissenschaftliche Kenntnisse
Gemeinsamer Vortrag des Rektors der Orthodoxen St.-Tichon-Universität für Geisteswissenschaften, Erzpriester Vladimir Vorobyov, und Priester Alexander Chshelkachev, dortselbst Professor, gehalten auf der Festtagung „Ganzheitliche Weltanschauung des christlichen Wissenschaftlers: Herausforderungen der modernen Epoche und Wege zu ihrer Überwindung – zum 300. Geburtstag von Michail Lomonossow“ (1711–1765).
Das Lomonossow-Zitat darin finde ich gut:
Natur und Glaube sind zwei Schwestern, und es kann nie zu Hader zwischen ihnen kommen. Der Schöpfer gab der Menschheit zwei Bücher – in einem zeigte ER seine Herrlichkeit, im anderen seinen Willen. Das erste Buch ist die sichtbare Welt; dort tun Physiker, Mathematiker, Astronomen und andere Wissenschaftler für die in die Natur hineingegossenen Göttlichen Wirkungen dasselbe wie Propheten, Apostel und Theologen im Buch der Heiligen Schrift. Unvernünftig ist der Mathematiker, wenn er den Göttlichen Willen mit einem Zirkel ausmessen will. Ebenso ist auch der Theologielehrer unvernünftig, wenn er denkt, nach dem Psalter Astronomie oder Chemie erlernen zu können.
Michail Lomonossow
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