Grüß Gott!
Ich wurde zuletzt nach meinen Eindrücken zum Buch von Prof. Alexej Osipov: „Aus dem Zeitlichen in die Ewigkeit: Das Leben der Seele nach dem Tod. Gedanken eines russischen Theologen.“ befragt, das im Verlag Traugott Bautz erschienen ist. Inzwischen habe ich das Buch durch und möchte mein Versprechen einlösen.
Vorab soviel: Dieses Buch sollte jeder gelesen haben! Ich kann es nur allen wärmstens ans Herz legen! Aber nun im Detail:
Zum Autor: Prof. Osipov ist einer der bekanntesten orthodoxen Theologen der Gegenwart. Unzählige Publikationen, Vorträge etc. gibt es von ihm. Ich selbst hatte vor einigen Jahren die Gelegenheit, dabei zu sein, als er in unserer Wuppertaler Gemeinde zu Gast war, einen Vortrag hielt und dann auf die vielzähligen Fragen antwortete. Neben seinem umfassenden theologischen Wissen und seinem Scharfsinn beeindruckten mich seine humorvolle und gleichzeitig sehr bescheidene Art. Ihm nimmt man ab, dass das, was er in seinen Vorträgen über das Leben als Christ erzählt, er auch selbst in seinem eigenen Leben vorlebt.
In der Verlagsrezension des Buchs heißt es:
Das Buch behandelt die Probleme der menschlichen Existenz jenseits des Todes. Lässt sich der Begriff "Ewigkeit" überhaupt verständlich definieren? Was sind die "Zollübergänge/-stationen mit den Seelenprüfungen"? Kann Gott, der ja die Liebe ist, jemandem das Leben schenken, von dem Er ohnehin weiß, dass dieser später "in die ewige Pein" eingehen wird? Haben unsere Leidenschaften nach dem Tode noch Bestand? Gibt es reelle Mittel und Wege, um den Verstorbenen zu helfen? Welche Wirkung kann das Gebet auf den posthumen Zustand einer Seele haben?
Niemanden können diese existentiellen Fragen gleichgültig lassen, denn hier geht es um das zweidimensionale Mysterium des menschlichen Seins in Zeit und in der Ewigkeit. Das vorliegende Buch von Alexej Osipov, Professor an der Geistlichen Akademie Moskau, baut auf seinen Vorträgen und den Diskussionsbeiträgen bei der Beantwortung von Zuhörerfragen auf.
Das Buch soll dem Leser helfen, Bekanntes in einem neuen Licht zu überdenken und die jenseitige Welt durch das Prisma der patristischen Lehre der Kirchenväter zu betrachten.
Dieser Kurzbeschreibung kann ich uneingeschränkt zustimmen, das, was dort als Ankündigung geschrieben steht, wird auch in dem Buch dem Leser vorgestellt.
Nun etwas mehr zum Inhalt selbst:
In den ersten Kapiteln des Buchs geht Prof. Osipov darauf ein, dass Christen im Unterschied zu anderen die Hoffnung auf das Leben nach dem Tod haben und dass sie sich auf dieses im irdischen Leben vorbereiten. Er stellt die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Auffassungen über den Tod und das Leben nach dem Tod zwischen dem Christentum und anderen Religionen heraus. Prof. Osipov führt auch einige Beispiele vom Menschen an, die Todes- bzw. Nachtodeserfahrungen hatten. Er erwähnt insbesondere die Forschungen des amerikanischen Wissenschaftlers Raymond Moody und empfiehlt neben anderen Büchern insbesondere die Lektüre der Werke des Bischofs Ignatij Brjancaninov dazu.
Als nächstes analysiert Prof. Osipov, „Den von Gott erschaffenen Leib des Menschen“. Welchen Leib werden wir im in der Ewigkeit haben? Bezug genommen wird dabei auf den Leib, wie ihn Adam vor dem Sündenfall hatte und auf die leiblichen Erscheinungen Christi bei den Aposteln vor Seiner Himmelfahrt, um dann im Weiteren auf die Folgen der Sünde der Ureltern einzugehen, dabei das orthodoxe Verständnis vom römisch-katholischen abzugrenzen und die drei Eigenschaften der menschlichen Natur darzustellen: Leidenschaftlichkeit, Vergänglichkeit und Sterblichkeit.
Nach dem Leib wendet sich Prof. Osipov der Seele zu. Was passiert mit dieser, wenn der Mensch sein irdisches Leben beendet hat? In den ersten drei Tagen verbleibt sie noch in Erdennähe, dann steigt sie zum Himmel empor, preist dort Gott und betrachtet die Freude der Gerechten, um dann nach weiteren sechs Tagen im Hades die Stätten der Qualen zu sehen. Prof. Osipov zitiert hier aus einem Gespräch von dem Hl. Makarius von Alexandria (4. Jhd.) mit einem Engel:
Am vierzigsten Tage aber wird sie erneut zur Anbetung zu Gott empor getragen und hier bestimmt ihr der Weltenrichter einen Ort, der ihr aufgrund ihrer irdischen Werke geziemt.
Wenn es dann um die Darstellung der himmlischen Dinge geht, weist Prof. Osipov wieder mit einem Zitat des Hl. Makarius von Alexandria auf folgendes hin:
Die irdischen Dinge darfst du hier nur als eine schwache Abglanz-Darstellung der himmlischen Begriffe verstehen.
Hintergrund dafür ist, dass es eine Vielzahl von Beschreibungen und Darstellungen (z.B. auch Ikonen) gibt, die aber alle unter diesem Hinweis aufgenommen werden sollten.
Kernkapitel des Buchs sind „Die posthumen Prüfungen nach Gut und Böse“ und die darauf folgenden Kapitel. Diese Prüfungen bzw. Zollübergänge finden wir auch bei anderen orthodoxen Theologen, wie z.B. bei Seraphim Rose. Prof. Osipov beschreibt sehr einleuchtend, warum es diese Prüfungen gibt, wie sich die menschliche Seele dabei verhält, wenn sie erst darauf hin geprüft wird, ob sie sich dem Guten anschließt, anschließend, ob sie den negativen Leidenschaften zugehörig ist (Kapitel: „Gleich und Gleich gesellt sich gern“ und „Dort lodern die Leidenschaften tausendfach stärker als hier auf Erden“). Prof. Osipov weist darauf hin, dass die Leidenschaften, die wir hier entwickeln, derzeit noch durch unseren irdischen Körper ‚begrenzt‘ werden. Wenn diese Begrenzung nach dem Tod weg fällt, dann sind wir ihnen ungebremst ausgesetzt und peinigen uns. Er zitiert dabei Hegumen Nikon:
Leidenschaften, die tausendfach stärker sind als hier auf Erden, werden dich wie Feuer versengen, ohne dass dir irgendeine Möglichkeit zur Verfügung stehen wird, sie auszulöschen.
Und weiter:
Es gilt, in seiner Seele die dämonischen Eigenschaften zu unterdrücken, dafür aber „englische“ Tugenden, wie sie uns das Evangelium lehrt, zu fördern.
Prof. Osipov ruft uns auf, eingedenkend dessen, dass Gott in seiner übergroßen Liebe jedem Menschen den freien Willen lässt und ihn nicht zu sich zwingt:
Das Christentum als die Religion der Liebe wendet sich an den Menschen mit dem Aufruf: Versuche gerecht und nach deinem Gewissen zu leben, ohne dich zu versündigen, du bist ja eine unsterbliche Persönlichkeit! Bereite dich darauf vor, ins ewige Leben würdig einzutreten. Und man kann es als ein großes Glück für die Christen bezeichnen, dass sie darüber Bescheid wissen und sich darauf vorbereiten dürfen. Vor welcher entsetzlicher Offenbarung steht aber nach seinem Ableben jemand, der hochmütig dahinlebte, ohne an Gerechtigkeit, ohne an das Gute und an das ewige Leben geglaubt zu haben!
Im folgenden erläutert Pro. Osipov die Notwendigkeit und die Nützlichkeit des Gebets für Verstorbene. Er erläutert danach, warum die Gehenna existiert (Kapitel „Der feurige Höllenschlund: die Gehenna“)
Nicht zur Vergeltung, nicht zum Zwecke einer unendlichen Bestrafung, sondern als allerletztes vorausschauendes Mittel der göttlichen Liebe.
Und geht dann auf das Jüngste Gericht ein (Kapitel: „Was erwartet uns am Tage des Jüngsten Gerichts?“), dabei zitiert er Bischof Theofan:
Beim furchtbaren Letzten Gericht wird der Herr nicht zu verurteilen suchen, sondern danach streben, alle gerecht erscheinen zu lassen. Und er wird jeden rechtfertigen, sofern sich dazu auch nur die geringste Möglichkeit bieten wird.
Ohne Jesus Christus und dessen Hinabstieg in den Hades wäre Gottes Heilsplan nicht wie er ist, daher widmet Prof. Osipov die nachfolgenden Kapitel dieser Thematik.
In den letzten Kapiteln des Buchs geht Prof. Osipov darauf ein, welches irdische Leben wir leben sollten, um nicht der Todsünden zu verfallen. Er gibt im Frage-Antwort-Stil weitere Erläuterungen zur Thematik, z.B. „Handelt es sich bei ‚Gehenna‘ und dem ‚Fegefeuer‘ um identische Begriffe?“
Zum Abschluss zitiert er aus Briefen von Hegumen Nikon (Vorob‘jov) und von Schema-Hegumen Ioann (Alekseev) an ihre geistlichen Kinder, in denen deren Fragen zum praktischen geistlichen Leben beantwortet wurden.
Ich hoffe, dass ich ein klein wenig Interesse für das Buch habe wecken können. Ich kann nur meine Empfehlung vom Anfang dieses Beitrags hier wiederholen. Unbedingt lesen!
Übrigens sind in dem Werk auch eine große Menge an guten Zitaten von Hl. Kirchenvätern und anderen Geistlichen enthalten – einige davon hatte ich auch schon gelegentlich in unserem speziell den
Zitaten gewidmeten Strang eingestellt.
In Christo
Igor