Lieber Florian und Mops,
Florianklaus: Was genau vermutest Du denn als Beweggrund für die fehlende Anerkennung durch Kostantinopel? Gibt es eine grundsätzliche Rivalität zwischen Konstantinopel und Moskau als "drittem Rom"?
…“eine grundsätzliche Rivalität zwischen Konstantinopel und Moskau,” ja die gab es schon “fast” immer.
Im heutigen Fall, besonders in NA, aber handelt es sich aber weltumspannende kirchenpolitische und jurisdiktionell-philosophische Meinungsverschiedenheiten. NA ist in diesem Szenario nur das am lautesten blökende “Lamm.” Die jurisdiktionellen Fragen welche hier gelöst werden müssen gelten genauso in Europa wie in Austral-Asia und Fernost.
Ich muss aber, bevor wir hier weiter diskutieren, darauf hinweisen, das alle Orthodoxen Kirchen von denen hier gesprochen wird, ohne Ausnahme, in voller Kommunion miteinander sind und das die OCA Hierarchen und Priester mit Moskau und Konstantinople konzelebrieren. Es handelt sich hier also nicht um Glaubensfragen oder etwaige Streitigkeiten über die Rangfolge in den Dyptichs. Es handelt sich vielmehr um Fragen welche bis heute in der OK nicht aktuell waren und daher kanonisch nicht geregelt sind weil sie sich aus der modernsten Geschichte ergeben haben. Was wir hier erleben ist die Diskussion, mal heißer mal kühler, darüber wie in der Zukunft eine neugegründete Orthodoxe Ortskirche ihre Selbsständigkeit erhalten wird. Die OCA ist hier der “Aufhänger” da sie, wie einige OKirchen meinen korrekterweise autocephal ist und andere eine abweichende Meinung darüber haben.
Die Demarkationslinie dieser Meinungen kann man wie folgt ziehen. Moskau und die meisten Kirchen sind der Auffassung, daß eine Mutterkirche ihre Tochter in die Autocephaly entlassen kann. Konstantinople und die von ihr abhängigen, meistens griechischen, Kirchen sagen das Autocephaly nur von Konstantinople gegeben werden kann. Dazwischen gibt es kleinere Orts-Kirchen, welche wie man hier sagt “auf dem Zaun sitzen” allerdings meistens in Moskaus Richtung neigen.
Das diese Frage dringenst gelöst werden muss haben alle OK erkannt und in Chambesy, letztes Jahr, die Richtlinien dafür ausgelegt. Es wurden für alle Kirchen der “Diaspora*” Versammlungen berufen (Episcopal Assemblies) welche alle örtlichen kanonischen Bischöfe der jeweiligen Gegenden vereinen. Deren Aufgabe ist es die kanonischen Grundlagen für vereinte lokale OK zu erarbeiten. Hier in NA waren alle 68 kanonischen Bischöfe im Mai in New York versammelt.
*Wir in NA lehnen die Bezeichnung “Diaspora” für unsere Kirche welche seit mehr als zweihundert Jahren besteht, sich aus Einheimischen zusammensetzt, einen Kontinent umspannt und, wenn vereinigt, die viertgrößte OK in der Welt darstellt, als irreführend ab…
Die ersten Ergebnisse dieser Konferenz liegen nun vor.
• Es wurde ein “Inventar” aller kanonischen NA OK erstellt welches die gesamten Statistiken dieser Kirchen zum erstenmal komprehensiv zusammenfassen.
• Es wurde entschieden, auf Antrag der jeweiligen Kirchen, daß sich Mexico der südamerikanischen Versammlung anschließen wird. (4 Bischöfe)
• Das Kanada eine eigene Episcopal Assembly erhält und auf eine selbsständige kanadische OK hinarbeitet. (10 Bischöfe)
• Das die USA eine eigene kirchliche Einheit darstellt (54 Bischöfe)
Diese Regelungen, wenn sie durchgeführt werden und zu einer Vereinigung der OK in NA geführt haben, sollten auch die Bedenken einiger “old world” OK beilegen welche heute ihre zum Überleben wichtigen finanziellen Bluttransfusionen aus ihren Exarchaten in NA erhalten und fürchten, daß das Geld ausbleibt…
Leider bestimmt diese, grundlose, Furcht aber ihr Handeln und läßt sie politische Hindernisse zur einer vereinten OK in NA in den Weg legen. Wir empfinden dies als ein Unglück und abträglich für die Missionsarbeit auf diesem Kontinent. Eine vereinigte OK in NA kann diesen in Not geratenen OK in der alten Welt zweifellos besser und effektiver helfen als es kleine versprengte Exarchate jemals könnten. Eine NA autocephale OK wird ihre Mutterkirchen niemals, weder in politischer noch in finanzieller Not, ohne Hilfe lassen …. Wir können nur beten, daß sich diese Erkenntnis dort durchsetzen wird…
Mops: Ich hoffe sehr, dass sich das Problem unserer Brüder in NA bald lösen läßt. Das bevorstehende Konzil wäre eine gute Möglichkeit dazu.
Mops, das kommende Konzil wird nur das bestätigen was bis dahin von den Episcopal Assemblies ausgearbeitet wurde. Das Konzil wird keine neuen Grenzen ziehen oder Kirchen gründen, es wird neugründete Kirchen bestätigen. Die Verordnungen von Chambesy sind ja pre-konziliär und wurden von allen OK der Welt angeordnet und unterzeichnet. Wir befinden uns nun im Zustand der praktischen Verhandlungen. Da werden wir schon noch hitzige Debatten hier im Forum und in den jeweiligen Episcopal Assemblies erleben…
Rationales Denken, eine bereitschaft sich zu informieren und besonders Gebete sind hier angebracht. Wenn dieser schwierige Prozess vollendet ist, steht die Kirche Gottes stark und wie ein Leuchtturm in der Welt, bereit die Heilige Orthodoxie allen Völkern zu bringen…
Gruß
Joseph
PS: persönlich glaube ich nicht, daß das Konzil einberufen wird. Wir haben keine Häresien zu klären – und Konzile befassen sich ja generell nur mit Glaubensfragen - sondern haben administrative Neuordnungen zu klären welches in den Episcopal Assemblies und Chambesy erreicht werden können…