Kathedrale in Sibiu/ Rum?nien

Orthodoxe Kirche und Gesellschaft, Theologie
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Petra1
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Registriert: 12.05.2007, 08:55
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Kathedrale in Sibiu/ Rumänien

Beitrag von Petra1 »

Fortsetzung meiner Vorstellung (siehe Grüße aus Norddeutschland)


Anfang April war ich für einige Tage in Sibiu/Hermannstadt (Rumänien). Der Einfachheit halber hier ein kleiner Auschnitt aus meinem Reisebericht: Pro Abschnitt ein Tageserlebnis. Ich hoffe, ich langweile niemanden.
Wer sich beim Lesen wundert: ich war das erste mal "bewußt" in einer orthodoxen Kirche. Vor ca. 10 Jahren war ich im Katharinen-Kloster und konnte damit gar nichts anfangen.


Schließlich stehen wir vor der Orthodoxen Kathedrale "Heilige Dreifaltigkeit".
Das interessiert mich, und wir gehen hinein. Vor der Tür sitzt eine bettelnde alte Frau, stumm mit offener Hand. Im Inneren versucht eine junge männliche Person (wir werden ihn Mütze taufen - wegen seiner auffälligen Kopfbedeckung) sehr nachdrücklich mit den Worten "money, money, come" unsere Barschaft zu verschlanken..
Die Malereien sind teilweise mit Holz eingerüstet und werden restauriert, bzw. gereinigt.
Wir werden Zeugen Gesten tiefer Frömmigkeit, ausgeführt sowohl von jung als auch von alt. Zwei Männer stehen vor einem Pult und singen byzantinische Liturgien. Sie wechseln sich ab, wobei der eine jeweils einen monotonen Grundtun hält, während der andere singt. Wunderschön. Die Athmosphäre hier nimmt mich ganz gefangen. Ich setze mich auf einen Stuhl, lausche und beobachte. Mütze hat uns seinerseits im Visier. Von der Omi ohne Zähne in Hausschuhen, bis zur jungen Frau in Jeans und Rucksack ist hier alles vertreten.
Die "Puppenmutti" erregt meine Aufmerksamkeit. Ein behindertes ca. 15 jähriges Mädchen drückt und wiegt unablässig ihre Puppe. Hat sie Augenkontakt zu einer bestimmten älteren Frau, geht in ihrem Gesicht die Sonne auf. Ansonsten stumpfe Ausdruckslosigkeit. Immer wieder dreht sie sich um und sucht diesen Kontakt und schäkert.
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Um 18.00 Uhr steuern wir wieder meine "Lieblingskirche" an und nehmen an einem orthodoxen Gottesdienst teil. Wir sind in der Karwoche. Die Puppenmutti ist auch wieder da. In alten orthodoxen Kirchen gibt es nur wenig Sitzgelegenheiten, wenn überhaupt. Man steht (getrennt - links die Frauen, rechts die Männer) und sitzt nicht wie im Kino. Es soll die Aufmerksamheit und Konzentration fördern. Die Gläubigen treten an die Ikonostase? küssen diese, schlagen das Kreuz und machen zusätzlich mit der Hand eine Geste in Richtung Boden, gehen in gebeugte Haltung. Dies ist eine Ehrerbietung. Zuhause habe ich mich bei Griechen, mit denen ich in Kontakt stehe, erstmal "schlau" gemacht, was das alles bedeutet. Kleine Zettel werden beschriftet mit den Namen von Menschen für die man etwas erbittet (nichts materielles), oder mit den Namen von Verstorbenen, und werden in ein Kästchen gelegt. Die Namen werden beim Lesen des Evangeliums genannt. Was ich hier erlebe, läßt sich schwer beschreiben. Ganz eigen, sinnlich für Augen, Ohren und Nase. Der Weihrauch hier ist äußerst wohlriechend und unterscheidet sich deutlich von der Qualität, welche ich zu Hause benutze, "Marke Kopfschmerz" aus dem Eso-Laden. Ich wage nicht dem Priester in die Augen zu sehen, als er segnend die Anwesenden abschreitet. Schade.
Eine ältere Frau vor mir, mit einem ganz zarten verletzlichen Gesicht, die Aura pure Trauer, hält die zusammengelegten Hände vor das Gesicht und wischt mit dem Daumen verstohlen Tränen weg. Ich lege in Gedanken meine Hand auf ihren Kopf. Inmitten der stehend betenden liegt eine, ganz offensichtlich kranke, Frau knieend auf dem blanken Steinboden. Ich hätte sie so gern gefragt, ob sie Geld für einen Arzt hat und auch mein letztes hergegeben. Der Athmosphäre geht jede Art von Frömmelei ab und strahlt eine Art von reiner Demut und Hingabe aus, wie ich es noch nie erlebt habe. Es ist ein besonderer Ort. Bald tritt R. wieder von einem Fuß auf den anderen, und wir gehen. Ein orthodoxer Gottesdienst kann gut und gerne zwei bis drei Stunden dauern, da kann ich stehend auch nicht mithalten.
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Es ist Palmsonntag. Wo muß Robert um 18.00 Uhr mit mir sein? Natürlich in meiner kleinen Hagia Sophia. Aber ihm gefällt die Athmosphäre dort auch gut. Heute ist Choral-Singen. (Nur der Chor, in der Orthodoxie singt die Gemeinde nicht, es gibt keine Kirchenlieder). Der Priester verteilt Zettel mit dem Programm und spricht Robert auf rumänisch an. Dieser erklärt ihm entschuldigend "only english". Daraufhin aktiviert dieser seinen Sprachschatz, drückt ihm die Hand uns sagt "it`s interisting".
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Waren wir heute gar nicht in der Kirche? Das kann nicht sein. Ah ja da fällt mir ein, R. hat gemault. Es war ihm dort zu laut wegen der Restaurierung. War also nur eine Stipvisite. Kleine Abendrunde, dann Nachtruhe.
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R. sagt um 18.00 Uhr: "Die Kirchenglocken läuten und rufen ihre Schäflein". Jetzt aber schnell. Ich möchte mich doch verabschieden.
Gottesdienst und Sägespäne
Das Holzgerüst im Kirchenschiff auf der linken Seite ist abgebaut. Männer tragen die Balken ins Freie. Mütze hilft auch mit. Im Inneren ist man damit beschäftigt die Teppiche zu fegen und aufzuräumen. Auch als der Priester schon begonnen hat, wird weitergefegt.
Wir lassen uns ein letztes mal "beweihräuchern" und mein letztes Kleingeld wechselt den Besitzer. Offene Hände vor der Kirche finden sich immer. Beim Verlassen der Kathedrale folgt uns "Mütze", verschwindet dann aber bald. Die "Puppenmutti" kommt uns entgegen (heute ohne Püppi) an Papas Hand, dahinter die Mutter auf dem Weg zum Abendgottesdienst.

Zurück in Deutschland habe ich angefangen meine Eindrücke zu verarbeiten und mich zu informieren. Ich habe versucht die Familie der "Puppenmutti" von Deutschland aus über eine Organisation ausfindig zu machen. Vielleicht hätte ich etwas tun dürfen? Leider ist die Familie unter der vom Priester genannten Adresse nicht mehr zu finden.

Ich bin "hängen geblieben" in dieser Kathedrale. Es hat mein Herz berührt.
Der Besuch in diesem immer noch sehr armen Land hat mich bereichert.

Nun hoffe ich auf Eure Begleitung bei dem was vielleicht? vor mir liegt.

In christlicher Liebe grüßt Euch

Petra
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Sebastian
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Beitrag von Sebastian »

Hallo Petra ! Ich schon wieder ;-)

Tief bewegt von deinem Bericht, möchte ich mich ganz herzlich für das Geschriebene bedanken. Man merkt, dass du eine gute Beobachterin bist.

Dein Bericht erinnerte mich an meine Anfänge in der Orthodoxie und drückt sehr gut aus, wie erfahrbar der göttliche Glaube ist.

Ich hoffe mehr lesen zu dürfen von dir und grüße dich aus der schönen Hansestadt Hamburg.

Bitte zögere nie in diesem Forum fragen zu stellen!

Sebastian

Christus ist auferstanden!
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Beitrag von protopeter »

Liebe Petra !
Nun hoffe ich auf Eure Begleitung bei dem was vielleicht? vor mir liegt.
Interesse und Offenheit Ihrerseits sind ganz offensichtlich gegeben; wie schon gesagt wurde, fragen Sie, diskutieren Sie mit und seien Sie dazu in unserer Runde herzlich willkommen ! :)

Österliche Segensgrüße sendet
Erzpriester Peter
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Elias
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Beitrag von Elias »

Hallo Petra....
auch ich war sehr bewegt...tja, so fängt das an! Es beginnt zu wirken:) So ähnlich war es bei mir nur das es nicht in der fremde geschehen ist sondern zuhause in Bremen. Aus Neugier habe ich eine orthodoxe Gemeinde in Bremen besucht, eine kleine Holzkirche von außen ganz unscheinbar aber von innen *schmilz*....und bin dann fortan "hängen" geblieben....ich kann das nicht so einfach beschreiben. Gott ist mir noch nie so nahe gewesen wie jetzt als orthodoxer Christ! Ein guter Freund sagte gestern noch auf eine Frage warum wir so in den orthodoxen Glauben vertieft sind, das dieser Glaube ins Herz geht und ich hoffe das du diese Erfahrung auch machen wirst...:)) Ich weiß nicht wo du in Norddeutschland wohnst aber wenn das in der nähe von Bremen sein sollte kannst du mir gerne schreiben und da kann ich dir etwas zeigen...oder wenn du in der nähe von Hamburg leben solltest dann ist Sebastian ein sehr guter Ansprechpartner:)

Gottes Segen

br. Ilia


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Petra1
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Beitrag von Petra1 »

@Elias

ich wohne in einer Kleinstadt in der Nähe von Kiel (ca. 35 km) in östl. Richtung, in nördl. Richtung 50 km von Flensburg entfernt.
Dort gibt es an jedem 3. Sonntag im Monat einen Gottesdienst, aber auch nur in einer "Gastkirche", nennt man das so?
Lübeck hat eine eigene orth. Kirche. Ist aber auch sehr weit von mir entfernt.
Hamburg wäre noch erreichbar. Ist aber auch mind. 1 Auto- Stunde.
Da Säuglinge auch keine Steaks essen :D , bin ich gerade damit beschäftigt, ganz zurück zu gehen zu den Wurzeln des Christentums, um die Orthodoxie zu verstehen.,
Ich habe hier im Forum gelesen, daß die Praxis des niederkniens und berühren des Bodens mit der Stirn ursprünglich von den Goten und Franken stammt. Das hätte ich nie vermutet. Viel interessantes habe ich hier schon erfahren.
Und sie fehlt mir sehr, "meine Kathedrale".

Gottes Segen
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Beitrag von protopeter »

Liebe Petra !
bin ich gerade damit beschäftigt, ganz zurück zu gehen zu den Wurzeln des Christentums, um die Orthodoxie zu verstehen
Ich beglückwünsche Sie zu diesem Entschluß - dies ist der wirklich einzige Weg, abseits von sämtlichen "Projektionen" (so positiv diese auch gemeint sein können) Wesen und Grundlage der Orthodoxen Kirche begreifen zu können. Möge Ihnen der Dreieine Gott dazu Gnade und Erleuchtung geben !

Mit herzlichen Segensgrüßen,
Erzpr. Peter
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