Bundesverfassungsgericht kippt Betreuungsgeld

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Luka Filipp Kiriak
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Bundesverfassungsgericht kippt Betreuungsgeld

Beitrag von Luka Filipp Kiriak »

Das Betreuungsgeld wurde soeben vom BVG gekippt aufgrund der fehlender Zuständigkeit des Bundes. Für viele Bundesländer wird das bedeuten, dass Eltern zukünftig noch mehr genötigt werden, die Kinder so früh wie möglich der Familie zu entreißen. Denn für viele Länder halte ich es für unwahrscheinlich, dass ein neues Betreuungsgeld auf Landesebene eingeführt wird. Man wird das "eingesparte" Geld für den Ausbau von öffentlichen Erziehungseinrichtungen verwenden. Wie steht ihr zum heutigen Urteil?
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MariaM
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Re: Bundesverfassungsgericht kippt Betreuungsgeld

Beitrag von MariaM »

Hallo,
also ich finde das absurd. Überhaupt die ganze deutsche Diskussion zum Betreuungsgeld, die so ideologisch verbissen geführt wird!
Hier in Tschechien (das oft als "atheistisches" Land bezeichnet wird - ich würde aber sagen, die Menschen sind nicht "gottlos", sondern nur skeptisch gegen "institutionalisiertes Christentum" - OK, ist ne andere Diskussion) gibt es schon "ewig" ein Betreuungsgeld. Ganz normal und von niemandem gross angefochten. Der Elternteil (meist die Mutter, kann aber auch der Vater sein oder sie teilen es sich), der mit dem Baby oder Kleinkindin den ersten Jahren zu Hause bleibt, bekommt es. Es ist nicht sehr hoch, soll aber den Verdienstausfall eines der Elternteile zumindest etwas ausgleichen und so die Familien unterstützen. Früher war es für 3 oder ggf. 4 Jahre - danach gehen die Kinder in den Kindergarten. Heute gibt es wahlweise auch die Variante nur für 2 Jahre, dann ist die monatliche Rate höher. Das ist für die, die früher wieder in den Job einsteigen wollen bzw. dies in Aussicht haben.
Niemand, ob links oder rechts, nennt das Betreuungsgeld hier "Herdprämie" oder ähnliches (und dabei wird über andere Themen durchaus hart gestritten, manchmal auch über totalen Blödsinn). Es ist irgendwie Konsens, dass diese einfach zu den Standardleistungen eines zivilisierten Staates gehört. Im allgemeinen Bewusstsein wird es meist immer noch als besser angesehen, kleine Kinder erstmal selbst zu Hause zu betreuen, Krippen werden eher als Notlösung gesehen, wenn es halt nicht anders geht. Es gibt zwar welche, aber es sind rel.wenige und viele sind privat und entsprechend teuer. Aber wer will und entsprechend situiert ist, kann auch diese Möglichkeit nutzen. Allgemeiner Usus ist das jedoch eher nicht.
Gruss, M.
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Igor
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Re: Bundesverfassungsgericht kippt Betreuungsgeld

Beitrag von Igor »

Grüß Gott!
Luka Filipp Kiriak hat geschrieben:Wie steht ihr zum heutigen Urteil?
Es ist eine Übertragung der Verantwortung vom Nichtzuständigen - dem Bund, auf die Zuständigen - die Länder.

Was die dann daraus machen, das hängt von der jeweiligen Regierung bzw. den Mehrheiten in den Länderparlamenten ab. Sachsen und Bayern wollen das z.B. weiterführen.

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Igor
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Luka Filipp Kiriak
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Re: Bundesverfassungsgericht kippt Betreuungsgeld

Beitrag von Luka Filipp Kiriak »

Also mit Sachsen wäre ich mir da aber nicht so sicher. Wir werden sehen. Deutschland braucht nun mal keine Mütter mehr. https://twitter.com/spdde/status/623409 ... 04/photo/1
Nikolaj
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Re: Bundesverfassungsgericht kippt Betreuungsgeld

Beitrag von Nikolaj »

@MariaM: Es gibt auch in Deutschland Elterngeld und Kindergeld. Betreuungsgeld ist noch etwas anderes.

Meiner Ansicht nach, heißt es nicht, dass man 'keine Mütter braucht'. Es ist einfach die Frage wer das Geld nun aufbringen muss. Man muss eben bedenken, dass in den Staatskassen nicht viel Geld ist und dies eine zusätzliche Leistung ist, die finanziert werden muss. Klar, es ist eine Investition, denn mehr Kinder, mehr Arbeitskraft. Jedoch kommt die Investition erst in 20 Jahren wieder in die Kassen.
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MariaM
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Re: Bundesverfassungsgericht kippt Betreuungsgeld

Beitrag von MariaM »

Hallo - aber Kindergeld gibt es hier z .B. wiederum nicht! Man bekommt nicht Geld für jedes Kind, bis es - was weiss ich - 26 Jahre alt ist und fertig studiert hat, so wie es in Deutschland ist. Davon kann man hier nur träumen. ;-) Man bekommt Geld, wenn man als Elternteil ein kleines Kind zu Hause betreut, i.d.R. bis 3, max 4 Jahre. Oder falls man nachweist, dass es behindert ist o.ä., dann auch länger. Entspricht das jetzt dem deutschen Elterngeld? Ich denke, nicht so ganz, oder?
Ich denke das was es hier gibt, ist wirklich dem Betreuuungsgeld am nächsten. Es ist dazu da, dass ein Elternteil die ersten Jahre zu Hause bleiben kann, um das Kind zu betreuen.
Sonst gibt es nur noch bestimmte Sozialleistungen - Zuschüsse im Zusammenhang mit Kindern, die an ein niedriges Einkommen geknüpft sind.

In Deutschland finde ich absurd, dass man jetzt Krippen und Kitas für Kinder unter drei Jahren ausbaut, als wäre das DIE Priorirät - und es aber dann keine Hortplätze für Schulkinder gibt! Das höre ich immer wieder von befreundeten Familien, die in D leben... Ich meine, die ersten 2-3 Jahre schafft man doch irgendwie, bis das Kind in den KiGA geht, und in der Zeit ist es eh am besten mit Papa oder Mama - aber danach, wenn Kindergarten und Schule beginnt, braucht man doch eine Sicherheit, dass es auch irgendeine Art von Nachmittagsbetreuung gibt, sei es in Kindergarten oder dann Schule.
Hier haben alle Grundschulen einen Hort direkt dabei (gehört zur Schule) und es gehört zur Standard-Infrastruktur, denn sonst hätten viele Eltern ein Problem, arbeiten zu gehen.
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MariaM
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Re: Bundesverfassungsgericht kippt Betreuungsgeld

Beitrag von MariaM »

Ach so. und warum genau ist der Bund nicht zuständig? Wo wird definiert, dass das Ländersache ist? Ist das so ähnlich wie beim Schulsystem in Deutschland? Denn rein vom PRinzip müsste doch nichts dagegen sprechen, wenn es eine gesamtstaatliche Regelung gäbe - oder? Genauso wie man z.B. Anspruch auf Rente hat, das ist doch wohl auch nicht länderabhänig...???
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Mirjanin
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Re: Bundesverfassungsgericht kippt Betreuungsgeld

Beitrag von Mirjanin »

Die einen wollen aus ideologischen Gründen alle arbeitsfähigen Frauen in den Betrieb zwingen, die anderen wünschen sich mehr & billigere Arbeitskräfte und die Dritten hoffen sich durch Versprechungen Wählerstimmen zu erkaufen.

Was die Kinder wollen, fragt niemand.
Die haben halt auch keine Lobby.
So funktioniert Demokratie.

Mirjanin, junger Papa (11 Monate)
Was sie nicht verstehen können, ist das wir keine politische Partei bekämpfen, sondern die Mörder der spirituellen Kultur.
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Igor
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Re: Bundesverfassungsgericht kippt Betreuungsgeld

Beitrag von Igor »

MariaM hat geschrieben:und warum genau ist der Bund nicht zuständig? Wo wird definiert, dass das Ländersache ist?
Art. 72 Abs. 2 GG, :arrow: s. Urteilsbegründung
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Re: Bundesverfassungsgericht kippt Betreuungsgeld

Beitrag von Luka Filipp Kiriak »

Guten Abend!

Wer sein Kind mit einem Jahr in eine KiTa stecken möchte, der soll es tun. Alleinstehende Eltern oder Eltern, die nicht in SGB II abrutschen wollen, haben ja oftmals leider gar keine andere Wahl. Aber die Eltern (vorrangig Mütter), die dem Staat Erziehungsaufgaben abnehmen und durch ihre wertvolle Leistung den Staat entlasten, da dieser, selbst wenn er wollte, gar nicht alle Kinder in KiTa's unterbringen könnte, müssen doch irgendwie entschädigt werden! Dabei ist es doch völlig irrelevant, ob die Zuständigkeit nun beim Bund oder jetzt durch das BVG-Urteil (Art. 72 Abs. 2 GG) beim Land liegt. Und da sind selbst 150 Euro eigentlich zu wenig, wenn man durch die Erziehung der Kinder nicht erwerbstätig sein kann und trotzdem den Lebensunterhalt der Familie sichern muss. Das geringe Betreuungsgeld oder jetzt sogar der Wegfall desselbigen kann für einige Familien eine Hilfebedürftigkeit nach SGB II hervorrufen. Und die Argumentation, dass durch eine Kindererziehung zu Hause, die länger als ein Jahr dauert, die Eltern sich vom Arbeitsmarkt isolieren, kann man nicht als Rechtfertigung für diese Familienpolitik stehen lassen. Dann muss der Staat sich eben mehr als bisher verpflichten, Eltern nach der Erziehung beim Wiedereinstieg in den Beruf zu unterstützen. Dabei sollten meiner Meinung nach auch Quoten angewandt werden.

Und wie Mirjanin schon richtig erwähnt hat: Denkt denn auch jemand an die Kinder? Nach der Liturgie am Sonntag hat mir wieder eine Erzieherin gesagt, wie schrecklich es für manche Kinder sein kann, schon mit einem Jahr in die Krippe gebracht zu werden. Klar, Kinder müssen auch in den Kontakt mit anderen Kindern und Bezugspersonen kommen können. Aber muss das schon mit einem Jahr sein? Ich denke, dass bis drei Jahren nahezu alle Kinder in der Familie gut aufgehoben sind, ohne einen "Entwicklungsschaden" zu nehmen. Und auch zu Hause kann man Kindern Kontakt zu anderen Kindern und Bezugspersonen ermöglichen. Und wo das nicht möglich ist, sollte der Staat Hilfe anbieten. Aber prinzipiell die Unterbringung in KiTa's als Ideal darzustellen, wie das jetzt von vielen Parteien erfolgt, halte ich für gar kein gutes Leitbild einer CHRISTLICHEN (oder meinetwegen auch einfach nur kinderfreundlichen) Familie.

Familien sollen gesellschaftlich-wirtschaftlich funktionieren. Um etwas Moralisches geht es der Politik überhaupt nicht. Damit schadet sich Deutschland auf lange Sicht aber sogar wirtschaftlich. Die ganze miserable deutsche Familienpolitik spiegelt sich in der sensationellen deutschlandweiten Geburtenrate von 8,2 Kindern/1000 Einwohnern (die niedrigste der Welt laut aktueller Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO und des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts HWWI) wider - Kinder, die später einmal die instabilen Sozialsysteme sichern sollen. Daher kann man schon jetzt sagen, dass Deutschland von Jahr zu Jahr immer mehr auf Zuwanderung angewiesen sein wird.
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MariaM
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Re: Bundesverfassungsgericht kippt Betreuungsgeld

Beitrag von MariaM »

Luka Filip, da gebe ich dir recht! Klar ist es OK, wenn es AUCH Krippen/Kitas für Kinder unter 3 Jahren als MÖGLICHKEIT gibt, wenn es nicht andres geht. Aber doch nicht als "Standard"! Und schon gar nicht, dass es als das angeblich Beste dargestellt wird! Der renommierte tschechische Kinder- und Entwiclungspsychologe Matejcek (verstorben Ende der 90er Jahre) hat mal gesagt "Kindergärten würden die Kinder selbst erfinden, wenn es keine gäbe - Krippen hingegen nicht." Soll heissen, ab cca. 3 Jahren ist es für Kinder ein Bedürfnis, in Gruppen mit Altersgenossen zu sein, vorher eher eine organisatorische Notwendigkeit für Eltern, die früh wieder arbeiten wollen/müssen.

Gerade die ersten drei Jahre sind so wichtig in der Entwicklung, und da ist es gut (ich spreche jetzt nicht von "pathologischen/asozialen" Fällen, wo die Familie nicht funktioniert), wenn diese Prägung in der Familie geschieht, das Kind erstmal Familienleben kennenlernt und grundlegende Werte von seinen Eltern und evtl. Geschwistern vermittelt bekommt, bevor es dann in ein erweitertes Kollektiv kommt (Kindergarten). Unter Leute, andere Kinder kommt ein Kleinkind doch auch so, man unternimmt ja auch was mit ihm - Spielplatz, Kleinkindschwimmen, Besuche bei Freunden, was weiss ich...

Und was ich so höre, ist es ein ziemliches Problem in Deutschland, die Einrichtungen für Kinder unter 3 auch so zu gestalten, dass sie von der QUALITÄT her genügen, und nicht nur eine Verwahrung sind. Denn wie soll man auch so schnell so etwas quasi auf Befehl aus dem Boden stampfen, wo qualifizierte (!) Erzieher/innen in genügender Anzahl hernehmen? So kommt es dann zu Missständen (gab ja einige Fälle, soviel ich weiss) und die Kleinen können noch nicht mal sagen, dass etwas nicht stimmt, da sie sich im Ggs. zu älteren KiGA-Kinder noch nicht sprachlich ausdrücken können. :-(

Absurd und traurig das Ganze, finde ich.

Mirjanin, habt ihr denn eine gute Lösung gefunden und seid erstmal nicht auf "Fremdbetreuung" angewiesen? Alles Gute eurer Familie! :-)
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Mirjanin
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Re: Bundesverfassungsgericht kippt Betreuungsgeld

Beitrag von Mirjanin »

MariaM - herzlichen Dank für deine Worte! Meine Frau und ich beschlossen, auf 2. Auto & Urlaube zu verzichten. Dafür wird sie unser Kind (bzw. noch kommende Kinder) zu Hause in Vollzeit betreuen. Sofern es die Zeit zulässt, wird sie hier und da etwas hinzuverdienen. Da sie eine sehr gute Ausbildung inkl. Studium absolvierte, war nicht jeder über diese Entscheidung glücklich. Aber wir sind es.

In diesem Zusammenhang war uns das Buch von Vater Schugajew Kindererziehung in der christlich-orthodoxen Familie eine gute Orientierung. Er benutzte meines Wissens nach eine sehr schöne Analogie, indem er ein Baby mit einem winzigen kleinen Baum verglich. Solange der Baum klein ist, brechen seine Äste schnell ab und verbiegen sich leicht. Darum ist es so wichtig, dem Baum Schutz zu geben. Und das können nur die eigenen Eltern. Später, wenn der Baum schließlich größer ist, zeigt er sich weniger empfindlich gegen Umwelteinflüsse und hat irgendwann so tief Wurzeln geschlagen, dass ihn nichts so schnell umhaut. Genau um diese Wurzeln schlagen zu können, braucht es das vertraute Heim mit vertrauten Abläufen und sorgenden Eltern. Und das Betreuungsgeld hat diesen Weg zumindest ein Stückchen erleichtert. (wobei ich nicht verstehe, warum man nicht z.B. den Kinderfreibetrag für den arbeitenden Elternteil anhebt, statt teuer von a nach b umzuverteilen)
Was sie nicht verstehen können, ist das wir keine politische Partei bekämpfen, sondern die Mörder der spirituellen Kultur.
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