SYMEON STYLITES DER ÄLTERE

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Anastasis+
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SYMEON STYLITES DER ÄLTERE

Beitrag von Anastasis+ »

Liebe Geschwister!

Unser lieber Bruder Nassos, hat schon an anderer Stelle einen Teil der Vita des heiligen Symeon Stylites ins Forum gestellt.

Hier unter den Hagiographien wäre es auch schön über unseren Forumsheiligen lesen zu können, deswegen hier der komplette Text von http://www.bbkl.de:

Band XI (1996)Spalten 353-356 Autor: Nicolaus Heutger

SYMEON STYLITES DER ÄLTERE,
Der syrische Asket Symeon Stylites der Ältere, der erste »Säulenheilige«, ist um 390 in Sis (Sisam) im Grenzgebiet zwischen Syrien und Kilikien in einer wohlhabenden Bauernfamilie geboren. Als kleines Kind getauft, hütete er, ohne irgendeine Schulbildung zu erhalten, die Schafe seiner Eltern.

Um 403 trat er in das Kloster Eusebona bei Teleda ein, das er aber im Februar 412 wegen seiner exzessiven Askese wieder verlassen mußte.
Er hatte sich zwei Jahre hindurch eingraben lassen und sich durch andauerndes Stehen dem Schlaf entzogen. S. wurde nun Eremit bei Telneshin Telanissos (Deir Sim an) 60 km östlich von Antiochia. Er hauste zwar in einer Zelle, ließ sich aber während der 40 Tage der Fastenzeit einmauern. Bald übersiedelte er in das nahe Gebirge, wo ihn ungezählte Ratsuchende besuchten.

Um solchen Störungen zu entgehen und um dem Himmel näher zu sein, setzte er sich um 422 auf eine Säule, auf der er den Rest seines Lebens verbringen sollte. Die Säule war zunächst nur 3 Meter hoch, wurde aber dann mit Hilfe kaiserlicher Bauleute bis auf ca. 20 Meter erhöht. So konnte ihm niemand mehr wundertätige Fäden aus der Kutte ziehen. Die Plattform maß 2 x 2 Meter. S. lebte in beständigem Gebet, das von rhythmischem Niederfallen aus Knie und Stirn begleitet war. Theodoret von Kyros hat sage und schreibe 1244 solche Proskynesen gezählt, dann aber das Zählen aufgegeben.

Der Ruf der Heiligkeit breitete sich aus und große Volksmassen drängten um den »Friedensstifter der Wüste«, der jeden Tag zwei Ansprachen an die Volksmasse richtete. So entwickelte sich rings um die Heiligensäule ein permanenter Kirchentag, der Pilger aus der gesamten Ökumene anlockte.
Der stets von Freude erfüllte Vater ging auch auf hochgerufene Fragen ein. Manch ein Besucher, wie Kaiser Theodosius II., kletterte sogar zu dem lebenden Heiligen hoch, um sich dort beraten zu lassen.

S. hatte so erhebliches politisches Gewicht. Für die verfolgten Christen im Perserreich wirkte er wie ein Fanal der Rettung. Er trat stets für die Armen und Unterdrückten ein. So forderte er, es dürften generell nur sechs Prozent Zinsen genommen werden.

Theodoret von Kyros, der ganz in der Nähe Bischof war, berichtet vom Fasten des lebenden Heiligen: »Von dieser Zeit an bis heute - 28 Jahre sind seitdem verstrichen - verbringt er das vierzigtägige Fasten ohne Nahrung zu sich zu nehmen. Zeit und Übung haben ihm bei seiner Anstrengung sehr geholfen. Die ersten Tage pflegte er nämlich zu stehen und laut Gottes Lob zu singen. Danach, wenn sein Leib durch Mangel an Nahrung nicht mehr die Kraft zum Stehen hatte, setzte er sich nieder und verbrachte so seinen heiligen Dienst. Die letzten Tage lehnte er sich auch an. Und wenn dann allmählich seine Kraft sich erschöpfte und erlosch, war er gezwungen, halbtot am Boden zu liegen. Aber als er seinen Platz auf der Säule eingenommen hatte, wollte er von dort nicht mehr herabsteigen und dachte sich darum etwas aus, um auf andere Weise stehenzubleiben.
Er brachte einen Balken an der Säule an und band sich selbst mit Tauen an den Balken fest. So hielt er die vierzig Tage durch. Später aber, als er mehr Gnadenkräfte von oben empfangen hatte, war er auf dieses Hilfsmittel nicht mehr angewiesen, und jetzt steht er vierzig Tage lang.
Er braucht keine Nahrungsmittel, sondern schöpft seine Kraft aus seinem eigenen Willen und Gottes Gnade« (Phil. Hist. 24).

Noch zu seinen Lebzeiten stellten Handwerker im weit entfernten Rom Bilder des S. als Schutzzeichen in den Eingang ihrer Werkstätten. Der »zwischen Himmel und Erde lebende Märtyrer«, der aérios martyr, starb am 2.9. 459 in kal 'at Siman. Sein Tod wurde zunächst dem Volk verheimlicht. Der Leichnam wurde dann mit allem Pomp nach Antiochia überführt, wo man 30 Tage lang die Totenfeier hielt.

Ein Teil der kostbaren Gebeine kam 10 Jahre später nach Konstantinopel.
Sein Fest wurde im Westen am 5. Januar begangen, im Osten am 1. September. Das Beispiel des »Wunders des Erdkreises« fand bis zum 10. Jahrhundert Nachfolger. Anfängliche Kritik an der extremen Lebensweise war schnell verstummt. S. verkörperte mit seiner »Ortsaskese« das syrische Ideal des Einsiedlers in höchster Übersteigerung. -

Die »heilige Festung« Kal at Siman (459 ff.) ist in der seit dem 7. Jahrhundert verödeten Gegend 60 km östlich von Antiochia gut erhalten.
Freilich stand 1862, als Vicomte de Vogüé das Ganze wiederentdeckte, noch wesentlich mehr, wie die graphischen Darstellungen jener Zeit bezeugen. Zentrum des Ganzen ist die Säule des Heiligen: Die originale Basis und mehrere Trommeln des Säulenschafts sind erhalten. Darum errichtete man ein Oktogon, das sich in acht gigantischen Triumphbögen öffnet, die durch die gleiche Bauornamentik miteinander verbunden sind.
Von diesem Zentrum aus ging nach jeder Himmelsrichtung eine dreischiffige Basilika. Die Ost-Basilika mit ihren drei Apsiden war die eigentliche Pilgerkirche. Die drei anderen Basiliken dienten zur Betreuung der Pilgerströme. Um 500 wurde dem Riesen-Heiligtum ein Kloster zugeordnet, das eine eigene Klosterkirche hatte, die zwischen dem Kloster und der Pilgerkirche lag. Am Fuß des Symeon-Festungshügels findet man Xenodochien, also einen Herbergskomplex mit Ställen. Ein mit einem Tor verbundenes Baptisterium in diesem Bereich steht noch bis obenhin. Daran hing noch eine kleine Basilika. -

Wer hat die gigantische Anlage, an der tausend Arbeiter gleichzeitig haben wirken müssen, errichtet? Die Riesenanlage sprengt die Möglichkeiten eines Klosters oder eines Patriarchen. So kommt für diese exorbitante Baumaßnahme nur der vielfach angefeindete Kaiser Zeno der Isaurier in Frage, der so seine Legitimität demonstrieren konnte. Er suchte so offenbar den Ruhm des Heiligen für seine Kirchenpolitik zu nutzen. Zeno baute auch sonst in gewaltigen Ausmaßen. Im 7. Jahrhundert eroberten die Araber das Gebiet. Seit dem 11. Jahrhundert schweigen die Quellen ganz. Im 19. Jahrhundert nutzte ein Scheich das Ganze als Palast.

Quellen: Theodoret von Kyros (gest. um 460), Philotheos Historia = Geschichte der Mönche Syriens: MG 82, 1283-1496 deutsch von K. Gutberlet = Bibliothek der Kirchenväter Band 502, 1926; - Französische Auswahl: A.J. Festugière, Antioche paienne et chrétienne, Paris 1959, 347-401, 493-506; - Hans Lietzmann und H. Hilgenfeld eb.: Das Leben des hl. Simeon Stylites = Texte und Untersuchungen 32/4, 1908; - S. Assemani, Acta Martyrum II, Rom 1748, 268-394.

Lit.: Acta Sanctorum Jan. I, 1643, 261-286; - Prot. RE3 XVII, 332 f.; - H. Delehaye, Les Saints stylites, Brüssel 1923 = Subsidia Hagiographica 14, bes. I-XXXIV; - D. Krencker, Die Wallfahrtskirche des Simeon Stylites = Preuß. Akademie der Wissenschaften Abh. 1938, Nr. 4; - M. Chaîne, La vie et les miracles de s. Symeon stilite l'ancien, Cairo 1948; - E. Dawes und N.H. Baynes, Three Byzantine Saints, Oxford 1948; - P. Canivet, Theodoret et le monachisme syrien, Théologie de la vie monastique, Paris 1961; - R. Krautheimer, Early Christian and Byzantine Architecture, London 1965 fig. 43; - V.h. Elbern, HI SCS SYNEON = Eine vorkarolingische Kultstatue des Symeon Stylites in Poitiers = A. Grabar ed.: Cahiers Archeologiques 16, Paris 1966, 23-38; - A. Grabar, Die Kunst im Zeitalter Justinians, München 1967.

Nicolaus Heutger

Literaturergänzung:

1984

Robert Doran, Compositional comments on the Syriac versions of the life of S.S., in: AnBoll 102.1984, S. 35-48; -

1986

Walter Berschin, Biographie u. Epochenstil im lat. Mittelalter. Bd. 1. Stuttgart 1986, S. 161-166; -

2008

Peter H. Görg, Die Wüstenväter - Antonius und die Anfänge des Mönchtums, Augsburg 2008, 130-135.

Quelle: http://www.bbkl.de
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Heiliger Symeon der Stylites

Beitrag von Andromachi »

Zu dem Schutzheiligen des Forums habe ich eine sehr schöne Geschichte aus dem 12bändigen Synaxaristes (Sammlung von Heiligengeschichten) des Heiligen Nikodemus des Hagioreiten entnommen:
Der Heilige Symeon war der Erste, der sich dieser Art der Askese ausgesetzt hatte. Andere Asketen wunderten sich über diese neuartige Kampfart und machten sich Sorgen, dass es sich vielleicht um eine πλάνη (einen Irrglauben) handelt. Sie schickten eine Gruppe von Mönchen zu ihm mit dem Auftrag: Geht zu ihm und befehlt ihm, von der Säule herunterzukommen. Falls er sich weigert, euch zu gehorchen, bringt ihn sogar mit Gewalt runter, der Böse hat ihn in die Irre geführt. Falls er aber zusagt und runterkommt, lasst ihn weiter seinen Weg der Askese folgen, der Heilige Geist hat ihn dazu gebracht. Das taten auch die Asketen und der demütige Heilige fing an, runterzuklettern. Da riefen ihm die anderen zu: "Bleib wo du bist, Bruder und mach mit deinem Kampf weiter!"
Michael
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Re: Heiliger Symeon der Stylites

Beitrag von Michael »

Cool. :D
Wieviel Seite hat dieses Buch Synaxaristes eigentlich?
Zuletzt geändert von Michael am 12.05.2010, 20:47, insgesamt 1-mal geändert.
„Heilig, heilig, heilig, furchtbar und groß, hoch(erhaben),
bewundernswert und verherrlicht ist der Herr in die Äonen der
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Re: Heiliger Symeon der Stylites

Beitrag von Andromachi »

Nun, ich habe das Buch nicht zu Hause. Ich kannte die Geschichte und fragte meinen Bruder, wo sie zu lesen sei (ich möchte in diesem Forum auf keinen Fall Geschichten einfach aus dem Gedächtnis erzählen, denn man hat eine große Verantwortung, besonders den Konvertiten gegenüber). Aber ich kann Folgendes sagen: Bis vor 13 Jahren habe ich auf alles was die Kirche betrifft, von oben harabgesehen - ich wußte alles besser. Aber Christus hat mir seine große Gnade gezeigt und hat mich zu sich geholt. Seitdem bin ich Seine "Schülerin". Ich lese und lese, ich erlebe das Leben in der Gemeine und mit Gott, ich erlebe täglich Wunder und hoffe, dass ich mit Ihm das Leben hier auf der Erde verlasse. Denn das ist das Besondere in der Orthodoxie: Wir wissen, dass Gott mit uns ist. Emmanuel bedeutet: Gott ist mit Euch: μεθ' ὑμῶν ὁ Θεός
Loukia
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Re: Heiliger Symeon der Stylites

Beitrag von Loukia »

Andromachi hat geschrieben: μεθ' ὑμῶν ὁ Θεός
Ἡ χάρις τοῦ Κυρίου Ἰησοῦ Χριστοῦ μεθ' ὑμῶν. 1. Korinther 16,23
Andromachi
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Re: Heiliger Symeon der Stylites

Beitrag von Andromachi »

Richtig, Loukia, dieser Spruch (ein Zufall?) ist besonders aktuell in der Fastenzeit, da wir jetzt diese Hymne jeden Abend in der Kirche hören können.
Loukia
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Re: SYMEON STYLITES DER ÄLTERE

Beitrag von Loukia »

Ich liebe diese Hymne :loveit:
Ἡ χάρις τοῦ Κυρίου Ἰησοῦ Χριστοῦ μεθ' ὑμῶν. 1. Korinther 16,23
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