P - wie Predigt
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guenterjoseph
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P - wie Predigt
begeht einen Zweiten. (Konfuzius 551 bis 479 v. Chr.)
Re: P - wie Predigt
- Igor
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Re: P - wie Predigt
als ich Deine Frage las, dachte ich, dass ich mal schnell in die Orthpedia schaue, was dort zum Stichwort Predigt geschrieben steht. Zu meinem großen Erstaunen gibt es noch keinen dedizierten Artikel dazu. Hier müssen wir wohl noch nacharbeiten…
Daher dann eben mit meinen Worten (und bescheidenen Kenntnissen dazu):
Wer kann/darf predigen?
Die Antwort ist relativ einfach: geweihte Priester und Bischöfe.
Wann erfolgt die Predigt?
In der göttlichen Liturgie entweder nach der Lesung des Evangeliums (das ist in der mir bekannten Praxis aber eher selten der Fall) oder am Ende zur Entlassung, bevor der Priester mit dem Kreuz das Volk segnet (das ist eher die Regel).
Manchmal ist auch die Praxis anzutreffen, dass – wenn mehrere Priester zelebrieren – ein Priester unmittelbar nach der Kommunion der Priester aus dem Altarraum hervortritt, wenn also die hl. Gaben für die Kommunion der Gläubigen vorbereitet werden. Diese Praxis ist aber wohl nicht ganz konform mit der Gottesdienstordnung.
Ein Priester erzählte mal, dass er die Predigt am Ende des Gottesdienstes bevorzugt, da er dann die Lesung verinnerlicht habe, er an der Kommunion teilhatte und damit ihm die Predigt besser „von den Lippen kommen würde“, also während des Gottesdienstes quasi eine Art Erleuchtung dafür erfolgt wäre.
Was wird gepredigt?
In den allermeisten Fällen ist ein liturgischer Bezug gegeben, vor allem zur jeweiligen Evangelien- oder Apostellesung, was diese beinhaltet, was diese für unser Leben bedeutet. Es wird erläutert, was jeder von uns sich daraus entnehmen sollte und wie jeder von uns dieses beherzigen sollte, um sein Leben auf Christus auszurichten. Manchmal wird aber auch über das Wirken des oder der Tagesheiligen gepredigt.
Der starke Bezug der Predigt zur Tageslesung hat vor allem in der russisch-orthodoxen Kirche manchmal auch einen durchaus praktischen Grund: Da diese i.d.R. in kirchenslawisch erfolgte, bekommen nicht alle Gläubigen jedes Detail mit und in der Predigt besteht dann eben die Möglichkeit, den Inhalt etwas noch näher zu beleuchten.
Im Vergleich zur sehr herausgehobenen Stellung der Predigt in den evangelischen Kirchen ist dieses der orthodoxen Kirche m.E. nicht ganz so der Fall. Sie ist wichtig, aber nicht am Gottesdienst das zentrale Element.
Noch ein Hinweis auf die Predigten des Metropoliten Antonij von Sourozh, die wirklich bemerkenswert sind. Einige deutsche Übersetzungen sind im Portal bogoslov.ru zu finden.
Abschließend eine Bitte: Vielleicht könnten unsere Theologiestudenten (bzw. Geistliche) hier im Forum noch ergänzen, was sie so im Fach Homiletik gelernt haben (bzw. aus ihrer praktischen Erfahrung berichten).
In Christo
Igor
- Priester Alexej
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Re: P - wie Predigt
vielen Dank für den ausführlichen Beitrag!
Die Predigt hat im Orthodoxen Gottesdienst einen sehr hohen Stellenwert. Das sieht man z.B. daran, dass wenn ein Priester in den Gottesdiensten drei mal hintereinander nicht predigt, er seines Amtes enthoben wird. Denn der Priester ist als aller erstes Prediger des Evangeliums, des Wortes Gottes. Übrigens darf auch ein Diakon, und sogar ein Lektor vom Ambo predigen. Beispielsweise hat der Hl. Basilius der Große gepredigt, als er noch Lektor war.
In der Orthodoxen Predigt wird aber nicht nur von der Güte Gottes erzählt, dass die Menschen getröstet werden. Vielmehr geht es darum, den Menschen den Weg zu Gott zu zeigen. Wie soll ich leben, um mich zu reinigen und geheiligt zu werden?
Was für mich eine gute Predigt ausmacht, ist der praktische Bezug zu dem alltäglichem Leben. Wird in der Predigt die Vite eines Heiligen erzählt und dann sowas wie "Lasst uns ihm nacheifern. Amen" gesagt, hat die Predigt fast keinen Sinn. Wenn der Priester jedoch reale Situationen aus dem Leben aufgreift und erklärt, wie man sich in diesen verhält, was man tun soll, um in dieser Situation richtig zu handeln und Gott näher zukommen, hat die Predigt gleicht ein anderes Format.
L. Alexej
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Andromachi
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Re: P - wie Predigt
Entschuldigung für die Länge, aber der Text ist für mich erschütternd. Die Liturgie wurde vor fast 2000 Jahren - abgesehen vom Kuss - genauso wie heute bei uns zelebriert!
65. Der eucharistische Gottesdienst nach Empfang der Taufe
Wir aber führen nach diesem Bade (c. 61) den, der gläubig geworden und uns beigetreten ist, zu denen, die wir Brüder nennen, dorthin, wo sie versammelt sind, um gemeinschaftlich für uns, für den, der erleuchtet worden ist, und für alle andern auf der ganzen Welt inbrünstig zu beten, damit wir, nachdem wir die Wahrheit erkannt haben, gewürdigt werden, auch in Werken als tüchtige Mitglieder der Gemeinde und als Beobachter der Gebote erfunden zu werden, und so die ewige Seligkeit zu erlangen. Haben wir das Gebet beendigt, so begrüßen wir einander mit dem Kusse 1. Darauf werden dem Vorsteher der Brüder Brot und ein Becher mit Wasser und Wein gebracht; der nimmt es und sendet Lob und Preis dem Allvater durch den Namen des Sohnes und des Heiligen Geistes empor und spricht eine lange Danksagung dafür, daß wir dieser Gaben von ihm gewürdigt worden sind. Ist er mit den Gebeten und mit der Danksagung zu Ende, so gibt das ganze Volk seine Zustimmung mit dem Worte „Amen“. Dieses Amen bedeutet in der hebräischen Sprache soviel wie: Es geschehe! Nach der Danksagung des Vorstehers und der Zustimmung des ganzen Volkes teilen die, welche bei uns Diakonen heißen, jedem der Anwesenden von dem verdankten Brot, Wein und Wasser mit und bringen davon auch den Abwesenden.
66. Das Wesen der Eucharistie
Diese Nahrung heißt bei uns Eucharistie. Niemand darf daran teilnehmen, als wer unsere Lehren für wahr hält, das Bad zur Nachlassung der Sünden und zur Wiedergeburt empfangen hat und nach den Weisungen Christi lebt. Denn nicht als gemeines Brot und als gemeinen Trank nehmen wir sie; sondern wie Jesus Christus, unser Erlöser, als er durch Gottes Logos Fleisch wurde, Fleisch und Blut um unseres Heiles willen angenommen hat, so sind wir belehrt worden, daß die durch ein Gebet um den Logos, der von ihm ausgeht, unter Danksagung geweihte Nahrung, mit der unser Fleisch und Blut durch Umwandlung genährt wird, Fleisch und Blut jenes fleischgewordenen Jesus sei. Denn die Apostel haben in den von ihnen stammenden Denkwürdigkeiten, welche Evangelien heißen, überliefert, es sei ihnen folgende Anweisung gegeben worden: Jesus habe Brot genommen, Dank gesagt und gesprochen: „Das tut zu meinem Gedächtnis, das ist mein Leib“, und ebenso habe er den Becher genommen, Dank gesagt und gesprochen: „Dieses ist mein Blut“, und er habe nur ihnen davon mitgeteilt. [...]
67. Gemeindeleben der Christen, besonders ihr Sonntagsgottesdienst.
Wir aber erinnern in der Folgezeit einander immer hieran, helfen, wenn, wir können, allen, die Mangel haben, und halten einträchtig zusammen. Bei allem aber, was wir zu uns nehmen, preisen wir den Schöpfer des Alls durch seinen Sohn Jesus Christus und durch den Heiligen Geist. An dem Tage, den man Sonntag nennt, findet eine Versammlung aller statt, die in Städten oder auf dem Lande wohnen; dabei werden die Denkwürdigkeiten der Apostel oder die Schriften der Propheten vorgelesen, solange es angeht. Hat der Vorleser aufgehört, so gibt der Vorsteher in einer Ansprache eine Ermahnung und Aufforderung zur Nachahmung all dieses Guten. Darauf erheben wir uns alle zusammen und senden Gebete empor. Und wie schon erwähnt wurde, wenn wir mit dem Gebete zu Ende sind, werden Brot, Wein und Wasser herbeigeholt, der Vorsteher spricht Gebete und Danksagungen mit aller Kraft, und das Volk stimmt ein, indem es das Amen sagt. Darauf findet die Ausspendung statt, jeder erhält seinen Teil von dem Konsekrierten; den Abwesenden aber wird er durch die Diakonen gebracht. Wer aber die Mittel und guten Willen hat, gibt nach seinem Ermessen, was er will, und das, was da zusammenkommt, wird bei dem Vorsteher hinterlegt; dieser kommt damit Waisen und Witwen zu Hilfe, solchen, die wegen Krankheit oder aus sonst einem Grunde bedürftig sind, den Gefangenen und den Fremdlingen, die in der Gemeinde anwesend sind, kurz, er ist allen, die in der Stadt sind, ein Fürsorger. Am Sonntage aber halten wir alle gemeinsam die Zusammenkunft, weil er der erste Tag ist, an welchem Gott durch Umwandlung der Finsternis und des Urstoffes die Welt schuf und weil Jesus Christus, unser Erlöser, an diesem Tage von den Toten auferstanden ist, Denn am Tage vor dem Saturnustage kreuzigte man ihn und am Tage nach dem Saturnustage, d. h. am Sonntage, erschien er seinen Aposteln und Jüngern und lehrte sie das, was wir zur Erwägung auch euch vorgelegt haben.
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Re: P - wie Predigt
In Christo
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guenterjoseph
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Re: P - wie Predigt
hier steht über den Stellenwert der Predigt dieser Text:
Orthodoxe
Gottesdienste
- neben der Liturgie ("Messe") haben Gottesdienste aus dem klösterlichen Stundengebet besondere Bedeutung
- Wortgottesdienste werden oft gefeiert (Totenfeier, Lobfeier = Te Deum, bei den Serben die Namenspatrone = Slava...)
- die Predigt hat geringeren Stellenwert. Es gibt genug Texte, in denen Schriftstellen meditiert und aktualisiert werden.
- es werden nicht nur Gehör (Texte und Lieder), sondern auch die Augen (Ikonen = Bilder) und der Geruchssinn (aromatisierter Weihrauch) angesprochen.
Es gibt keine Maßeinheit, nur ein subjektives Gefühl - und das ist nicht bei allen gleich
begeht einen Zweiten. (Konfuzius 551 bis 479 v. Chr.)
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Re: P - wie Predigt
Gegen diese Einstellung wird, zumindest in Russland, schon seit Peter dem Großen gekämpft. Es gab tatsächlich eine Zeit in Russland, in der es verboten war, selbst zu predigen, man durfte in der Kirche nur Texte der Hl. Väter vorlesen. Aber das ist, wie schon gesagt, lange Vergangenheit.guenterjoseph hat geschrieben:http://www.theology.de/religionen/chris ... /index.php
- die Predigt hat geringeren Stellenwert. Es gibt genug Texte, in denen Schriftstellen meditiert und aktualisiert werden.
