Der Mensch als Ebenbild Gottes

Orthodoxe Kirche und Gesellschaft, Theologie
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Loukia
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Der Mensch als Ebenbild Gottes

Beitrag von Loukia »

[font=Microsoft Sans Serif]Der Mensch als Ebenbild Gottes

Die orthodoxe Theologie von Christus als dem ungeschaffenen wesensgleichen Bilde Gottes des Vaters (2. Kor. 14 4) und vom Menschen als dessen geschaffenem Abbilde ist die Grundlage für das rechte Verständnis der menschlichen Existenz und ihrer Bedeutung. Das Geschaffensein nach dem Bilde Gottes bedeutet zugleich Ursprung and Ziel unserer Existenz, unser Alpha und Omega.

Die Dynamik des Bildes: Freiheit und Eros

Menschsein ist Theologie. Wenn wir authentisch leben wollen, dann können wir letzlich nicht anders, als unser Leben jeden Augenblick in Gott zu zentrieren. Leugneten wir Gott, so leugneten wir uns, zerstörten uns. Leben wir aber Gott, so öffnen wir uns einem Entwicklungs und Vollendungsprozeß , der sich in die Unendlichkeit fortsetzt. Die menschliche Existenz verdankt ihre Dynamik und Größe ihrem "Ikonencharakter": soweit wir den weisen und schöpfenden Gott abbilden, soweit entdecken wir auch in uns die Charismen der Erkenntnis und des Schöpfertums.
Dasselbe gilt für die Freiheit als Wesenseigenschaft: Gott ist frei. Bild Gottes zu sein bedeutet also auch: frei zu sein. / Jenseits aller Prägung, Konditionierung, Enkulturation, und Erziehung eignet also jedem Menschen ein wesenhaft freies, wahres Sein, welches von Gott ist. / Dazu sagt der Hl. Maximos der Bekenner: "Da wir nach dem Bilde des gesegneten und überwesentlichen Gottes geschaffen sind, und weil die Göttliche Natur, wie wir feststellen, frei ist, so sind auch wir, die wir ja ein wahres Bild der göttlichen Natur sind, wesenhaft frei."Aus demselben Grund sind wir verloren, wenn unsere Freiheit verloren geht. Der hlg. Nikolaos Kabasilas schreibt: "Wenn man sagt, die Freiheit sei zerstört, so sagt man damit auch, der Mensch sei zerstört."

Der Siegel Gottes in der menschlichen Seele überhaupt ist der Eros, die Macht des Verlangens, das die Seele, vorausgesetzt, daß es geheiligt worden ist, zu ihren göttlichen Urbilde emporführen kann. Die Heiligen, und unter ihnen besonders Dionysios Aeropagites, verstehen die Macht und Kraft der Erotik nicht einfach bloß als sexuelle Begierde. Vielmehr ist der sexuelle Drang selbst Ausdruck des uns von Gott eingepflanzten und uns nach ihm, dem Schöpfer, führenden Sehnens. Um noch einmal mit dem Hl. Maximos zu sprechen: "Manchmal bezeichnet die Heilige Schrift Gott als Eros, Sehnsucht, manchmal als Liebe (agape), manchmal aber auch als den Begehrten und Geliebten. Begehrt und liebt Er selbst, so bewegt Er sich auf uns zu, ist Er der Begehrte und Geliebte, so bewegt Er alle des Sehnens und Liebens fähigen Geschöpfe auf sich zu. In den Besitz des Senens gekommen und an der entrückenden Kraft teilhabend, ruft daher der Apostel Paulos aus. "Ich lebe, nun aber nicht mehr ich, sondern Christus in mir." Er spricht als Liebender und -wie er selbst sagt- als einer, der in Gott entrückt ist. Er lebt nicht mehr sein eigenes Leben, sondern das des Geliebten, der allein die alle Rede übersteigende Schönheit ist."
So verstehen wir die erotische Kraft der Seele in ihrer Tiefendimension als den Durst nach dem Innersten unseres eigenen Daseins. Dieser Durst kann nur gestillt werden, wenn wir das Ziel, auf welches hin wir geschaffen wurden, erreichen: die Vereinigung mit unserem Urbild, mit Gott. Dies ist es, was die orthodoxe Tradition mit dem Wort Vergottung (theosis) bezeichnet. In den geschaffenen Dingen allein können wir indes keinen Frieden finden. Der Hl. Nikolaos Kabasilas sagt: "...Um den Durst der menschlichen Seele zu löschen, brauchte es eine unendliche Menge an Wasser." Dem fügt der Hl. Augustinus hinzu: "Unruhig ist mein Herz, bis daß es ruht in Dir."
Wir sind geschaffen worden, damit wir, vereinigt mit der ungeschaffenen Gnade Gottes, gnadenhaft selbst zu "Göttern" werden. Was hier in einer großen Gesamtschau umrissen wird, ist das Mysterium des Menschen, dem es aufgegeben ist, "Gott zu werden." Über dieses Mysterium schreibt der Hl. Gregor von Nazians, der den Beinamen "Theologe" hat: "Das Ewige Wort ... schöpft den Menschen als ein einfaches lebendiges Wesen, welches sowohl eine sichtbare irdische wie auch eine unsichtbare himmlische Natur hat ... und stellt ihn als eine Art Universum en miniature auf die Erde; als einen Engel, einen Pilger zwischen zwei Welten, der die sichtbare Schöpfung überschaut und in die geistige eingeweiht wird ... ein König, der über alle irdischen Dinge herrscht ... ein Tier, das sich hier eine Heimstatt schafft, woanders aber seine wahre Heimat hat und welches -Ziel des Mysteriums- in seiner Sehnsucht nach Gott vergotten wird."´ 1

Verlust des Bildes und seine Wiederherstellung in Christo

Der Fall des Menschen hat sein göttliches Bild verdunkelt. Kyrill von Alexandrien sagt, die menschliche Natur sei von der Sünde "infiziert" worden. Folge dieser Krankheit ist, daß das Bild Gottes nicht mehr die Ähnlichkeit mit Gott erlangen kann.
Als das leuchtende und unwandelbare Wesensbild des Vaters und als Urbild des Menschen stellt Jesus Christus in seinem göttlichen Heilswirken das gefallene Bild Adams wieder her. Er offenbart uns unsere ursprüngliche Schönheit. Er ist auch der gute Lehrer, der uns re-orientiert, zu unserem göttlichen Urbilde führt.
Liturgischer Ausdruck und zugleich einübende Hinführung zu dieser Realität ist die kirchliche Feier des Hochfestes der Verklärung, (6. August) wo es heißt:
"In Deiner Verklärung hast Du Adams verdunkelte Natur wieder licht gemacht, da Du, O, Christe, sie verwandelst in den Glanz und die Herrlichkeit Gottes."
Wenn wir also dem Bilde Christi ähnlich werden, dann erlangen wir unsere wahre Gestalt, unser unverfälschtes Menschsein.

Die Kirche - Gefolgschaft der Vergottung

In den Heiligen Mysterien (Sakramenten) wird die Vereinigung von Gott und Mensch durch Jesus Christus zur wirklichen Teilhabe am Leben der Auferstehung, der Verklärung und Vergottung. Die Ähnlichkeit mit dem Wesensbilde Gottes ist nicht mehr nur potentiell, sondern verwirklicht sich im Leben. Das glaubende und kämpfende Wesen des Menschen ist es, was vergottet wird. Diese Vergottung ist keine idealistische Sehnsucht , sondern wird Realität.
Als erste wurde in diesem Sinne die allheilige Mutter Gottes vergottet. Unsere Theologen sagen, daß allein sie sich jenseits der geschaffenen und ungeschaffenen Natur befindet. Sie allein ist Gott nach Gott; sie allein steht unmittelbar nach der Heiligen Dreifaltigkeit.
Sie ist nicht nur zugleich Abbild und Urbild der Kirche, sondern auch Urbild der christlichen Existenz, Wegweiserin des mystischen Weges par excellence. Sie hört, nimmt an, wird erfüllt von Gott, dem Heiligen Geist und gebiert Christum in die Welt. Ihre Gottesmutterschaft ist das Urbild der Gottesmutterschaft eines jeden Christen. Ihr Bild in der Kirche ist die notwendige Ergänzung zu dem Bilde Gottes, des Allherrschers, des in Ewigkeit lebenden und regierenden Christus: ist dieses das Bild Gottes, der sich bis in die Tiefe irdischer Endlichkeit und Verlorenheit hinabneigt, so ist jenes das Bild des Menschen, der sich jedweder Selbstherrlichkeit entäusert und in völliger Liebeshingabe vom Geist Gottes erfüllen läßt und so zur Höhe, ja zur Mutterschaft Gottes erhoben wird.
Die Heiligen, die den göttlichen Eros haben, sind auch vergottet worden. Alle Heiligen leben nach dem Ausspruch des Gott-tragenden Ignatios: "Meine sehnsuchtsvolle Liebe ist gekreuzigt worden" Die Beziehung, die die Heiligen zu Gott haben, ist erotisch; sie ist geprägt von Verlangen und Sehen; sie ist nicht einfach bloß eine moralische. Die Gnade der Vergottung leuchtet auf ihren Gesichtern und wird offenbar an ihren Körpern, die einen süßen Wohlgeruch verströmen, Myron spenden, unverweslich bleiben und Wunder wirken.
Die orthodoxe Kirche ist der Ort und die Gefolgschaft der Vergottung. Was auch immer in der orthodoxen Kirche geschieht, bringt uns in immer volkommenere Gemeinschaft mit Gott; es geschieht zu unserer Vergottung. Die heiligen Ikonen Christi, der Gottesmutter, der Heiligen sowie aller "Schmuck" in unserer heiligen Kirche wollen sagen: "Gott wurde Mensch, auf daß der Mensch Gott werde." Die Vergottung ist möglich, weil die Gnade ein göttliches Tun ist, das keine Ursache hat; daher kann sie uns auch vergotten. Gott wirkt an der Vergottung mit, der Mensch "leidet" sie. Der vergottete Mensch ist frei von Leidenschaften und wenn er unablässig das Herzensgebet übt, dann erfährt er die ihn erneuernde und Trost spendende Gnade . Die höchstmögliche Erfahrung der Vergottung ist die Schau des Taborlichtes; des ungeschaffenen Lichtes, das die vergotteten Menschen nicht nur auf übernatürliche Weise schauen, sondern in dem sie auch -wie es das Leben vieler Heiliger zeigt- geschaut werden.

Moderner Säkularismus: eine falsche Alternative

Wenn die menschlichen Kräfte nicht in der ihr eigenen Richtung auf den Schöpfer und Vater ausgerichtet sind, dann erweisen sie sich als destruktiv. Die verschiedenen Seelenbereiche werden gespalten. Der Verstand verfällt der Faszination der Finsternis. Die Seele, die von Leidenschaften besessen ist, wird lasterhaft, vertiert, wird gefühllos und dämonisch. Demgemäß sagt der hl. Gregor Palamas. "Eine von Gott abgewandte Seele wird entweder zu einem dumpfen Tier oder zu einem Dämon. Da sie ihrer wahren Natur verlustig gegangen ist, giert sie nach dem, was ihr eigentlich fremd ist. Ihre Gier bleibt jedoch ungesättigt und, sich den fleischlichen Lüsten zügellos hingebend, kennt ihre Suche nach irdischen Vergnügungen keine Grenze mehr."
Ohne Gott stürzt die Seele in den Abgrund des Nichtseins, der sie schließlich verschlingt. Die menschliche Person verliert ihre Integrität; sie zerfällt. Das Leben wird zur Hölle, die Freiheit zur Bürde und andere Menschen zu einer Plage. Der gefallene Mensch befindet sich in einer tragisch ausweglosen Lage.
Das Falsche am Humanismus - in welcher Spielart er auch auftritt- besteht in dem Versuch, uns vergessen zu lassen, daß wir unseren Ursprung und unser Ziel in Gott haben und daß wir eine Ikone Gottes sind. Im Namen des Fortschritts, der Zivilisation und der Gerechtigkeit setzt er uns mit dem Vergänglichen, Eitlen in eins. Er schneidet uns unsere Flügel ab. Unseren unbefriedigten Drang zu Gott und unseren ungestillten erotischen Durst ist er bestrebt, auf rein weltliche Objekte zu lenken, die weniger in sich selbst von Übel sind, als vielmehr gänzlich ungeeignet, die Sehnsucht der lebendigen Wesen zu stillen, die von Gott und auf Gott hin geschaffen sind. Der Humanismus will uns suggerieren, daß der Mensch selbst Gott ist und Gott nicht braucht. Das aber ist die Erbsünde, ist Selbstvergötzung und Egoismus und ist zugleich das Wesen der säkularistischen Philisophie, Politik und Ethik. Entsprechend dieser Philosophie ist das Leben außerhalb der Kirche gestaltet. Der Säkularismus ist eine Folge des westlichen Atheismus; eine Krankheit, die beginnt, unser eigenes orthodoxes Volk hinwegzuraffen.

Antwort und Verantwortung unserer orthodoxen Tradition

Wir müssen jedoch eingestehen, daß sich auch bei uns manchmal Irrtümer einschleichen. Die Idee vom Aufstieg der Seele zu Gott wird oft (westlicher Einfluß) durch eine ethisch-moralische Perfektionskonzeption ersetzt. Als eine Art natürliche, moralische Vergottung ist sie ganz auf den Menschen konzentriert. Selbst wenn sie ein religiöses Flair haben sollte, so unterscheidet sie sich wesenhaft nicht von den moralischen und ethischen Normen des atheistischen Humanismus. Diese Konzeption ist weder liturgisch noch kirchlich; sie offenbart der Welt keine Menschen, die vergottet worden sind; stattdessen bringt sie "chrétiens bourgeois (bürgerliche Christen)" hervor; anständige Menschen, die aber bei aller Anständigkeit äusßerst beschränkt sind . Diese Konzeption fußt auf dem menschlichen moralischen Aktivismus, nicht aber auf dem Wirken der ungeschaffenen göttlichen Gnade. Sie führt den Menschen nicht aus seiner Ichbezogenheit; läßt ihn nicht die göttliche Gnade erfahren, noch gibt sie ihm den göttlichen Eros und hilft ihm auch nicht, im Gebet und in der Gemeinschaft mit Gott voranzuschreiten.
Erstmalig trat diese Ansicht vor ca. 600 Jahrern in der orthodoxen Welt auf. Ihr Vertreter war der aus Kalabrien stammende westliche Theologe Barlaam, gegen welchen der Hl. Gregor Palamas die Theologie von der ungeschaffenen Gnade verteidigen mußte. Barlaam wurde zwar besiegt, später jedoch ist dieser Geist (während der letzten zweihundert Jahre) mit den intellektualistischen Strömungen, die den europäischen Osten überfluteten, zurückgekehrt. Wir müssen uns heute darüber im Klaren sein, welcher grundlegende Unterschied zwischen der von Gregor Palamas vertretenen und sich in der Philokalie findenden Anthropologie und der des Barlaam besteht. Wenn unsere jungen Menschen aus der Lethargie des Hedonismus und der humanistischen Selbsttäuschung erwachen, dann beginnt ihre Suche nach einem Ort des Friedens, der Ruhe. Ein bloß "sauberes, ordentliches" Christentum bietet ihnen dies nicht. Ihre Seelen dürsten nach einer persönlichen Begegnung, nach einer Gotteserfahrung, nach einem Leben, welches wahre Mystik und eine erlöste und geheiligte Erotik verkörpert. Wenn sie die wahre Orthodoxie nicht finden, wenn sie auch unsere mystische Theologie, unsere wirkliche Tradition und Frömmigkeit nicht kennenlernen, dann bleibt ihnen nichts, als ihren Frieden sonstwo zu suchen: in einem zumeist unverstandenen und "aufbereiteten" Mystizismus des Fernen Ostens etwa oder in den überall propagierten Transzendendalismen der der "Selbstverwirklichung", im künstlichen Paradies der Drogen oder gar in den Nebeln und Sümpfen des Okkultismus. Es ist unsere Verantwortung, Sorge zu tragen, daß sie solche Irrwege nicht zu gehen brauchen.



Archimandrit Georg, Iera Moni Gregoriu

Athos
Stimme des Heiligen Berges


1) "Theologe" meint vor allem: den Logos tou Theou im Herzen tragen und verwirklichen, was auch durch Lehre geschieht.[/font]
Ἡ χάρις τοῦ Κυρίου Ἰησοῦ Χριστοῦ μεθ' ὑμῶν. 1. Korinther 16,23
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