Nationale Kirchen und Patriotismus

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Priester Alexej
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Re: Nationale Kirchen und Patriotismus

Beitrag von Priester Alexej »

Lieber Benedikt,

ich sehe keinen Sinn mehr, mich an der Diskussion zu beteiligen. Ich hatte hier bereits einen ausführlichen Beitrag geschrieben, der aber samt allen Argumenten ignoriert wurde.

Hierhat Mirjanin bereits die Frage nach den Begriffen gestellt und eine wunderbare Diskussionsvorlage gegeben, aber du hast bezweifelt, dass eine nähere Definition (eines in dieser Diskussion gleichwichtigen Begriffs) nutzen würde. Und jetzt auf einmal doch Begriffe?

Ich bin tatsächlich der Meinung, dass hier einige Begriffe geklärt und unterschieden werden müssten. Vor allem, weil das eigentliche Verständnis von dem, was Patriotismus ist, fehlt. Natürlich hat er keinen Sinn, wenn er sich auf "die deutsche Fussballnationalmannschaft (sehr patriotisch)" und "die russische Eishockeymannschaft" begrenzt.

Was mich außerdem stört, sind die hier von einigen Menschen vertretenen Vorstellungen von der Situation in Russland, in der russischen Kirche und an der geistlichen Akademie, die sich mehr auf dem Stand aus der Zeit des Eisernen Vorhangs befinden.
Apostolischer Kanon 39 (32): Priester und Diakonen sollen ohne Wissen und Willen des Bischofs Nichts thun: denn dieser ist's, welchem das Volk des Herrn anvertraut worden, und von welchem Rechenschaft über ihre Seelen gefordert werden wird.
Lazzaro
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Re: Nationale Kirchen und Patriotismus

Beitrag von Lazzaro »

Im Buch Genesis lesen wir die allseits bekannte Begebenheit:
Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache. Da sie nun zogen gen Morgen, fanden sie ein ebenes Land im Lande Sinear, und wohnten daselbst. Und sie sprachen untereinander: Wohlauf, laß uns Ziegel streichen und brennen! und nahmen Ziegel zu Stein und Erdharz zu Kalk und sprachen: Wohlauf, laßt uns eine Stadt und einen Turm bauen, des Spitze bis an den Himmel reiche, daß wir uns einen Namen machen! denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder.
Da fuhr der HERR hernieder, daß er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten. (1. Mose 18.21) (Psalm 14.2) (Psalm 18.10) 6 Und der HERR sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen, und haben das angefangen zu tun; sie werden nicht ablassen von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun. Wohlauf, laßt uns herniederfahren und ihre Sprache daselbst verwirren, daß keiner des andern Sprache verstehe!
Also zerstreute sie der HERR von dort alle Länder, daß sie mußten aufhören die Stadt zu bauen.
Wir erkennen, daß die Aufsplitterung der Menschen in Sprachen / Nationen eine Folge des Hochmutes gegenüber Gott ist. Das ist sehr wichtig: Nicht gegenüber dem Mitmenschen, sondern gegenüber dem HERRN. Ist Hochmut nicht eine Sünde? Wieso sind wir stolz auf die Folgen dieser Sünde? Vor allem dann noch, wenn der hl. Lukas in der Apostelgeschichte (2, 1-12) berichtet:
Und als der Tag der Pfingsten erfüllt war, waren sie alle einmütig beieinander. (3. Mose 23.15-21) Und es geschah schnell ein Brausen vom Himmel wie eines gewaltigen Windes und erfüllte das ganze Haus, da sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt, wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeglichen unter ihnen; (Matthäus 3.11) und sie wurden alle voll des Heiligen Geistes und fingen an, zu predigen mit anderen Zungen, nach dem der Geist ihnen gab auszusprechen. (Apostelgeschichte 4.31) (Apostelgeschichte 10.44-46)
Es waren aber Juden zu Jerusalem wohnend, die waren gottesfürchtige Männer aus allerlei Volk, das unter dem Himmel ist. (Apostelgeschichte 13.26) 6 Da nun diese Stimme geschah, kam die Menge zusammen und wurden bestürzt; denn es hörte ein jeglicher, daß sie mit seiner Sprache redeten. Sie entsetzten sich aber alle, verwunderten sich und sprachen untereinander: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa? Wie hören wir denn ein jeglicher seine Sprache, darin wir geboren sind? Parther und Meder und Elamiter, und die wir wohnen in Mesopotamien und in Judäa und Kappadozien, Pontus und Asien, Phrygien und Pamphylien, Ägypten und an den Enden von Lybien bei Kyrene und Ausländer von Rom, Juden und Judengenossen, Kreter und Araber: wir hören sie mit unsern Zungen die großen Taten Gottes reden.
Sie entsetzten sich aber alle und wurden irre und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden?
Ja, was sollte das werden? Sollte das bedeuten daß sich die Kirche brav in Griechen, Araber, Franzosen, Niederbayern und Oberfranken, die in München wohnen (und zwar nur diese) aufspalten soll? Und getrennt von einander singen wir die ganze Pfingstwoche:
Als er herabstieg verwirrte der Höchste die Sprachen und zerstreute die Völker.* Als er die Feuerzungen verteilte, rief Er alle zur Einheit,* und wir verherrlichen einstimmig ** den allheiligen Geist.
HALLELUIA! Cлава Тебе, Боже ! (Ende der Exaltation)

Das ist meiner Meinung nach eine einfache, logische aus der Bibel und der Tradition der Kirche hergeleitete christliche Ansicht über das Thema, "ohne Hörner und Zähne" und und ohne irgendwelche Spitzfindigkeiten.
Daß man unter kulturellen, wirtschaftlichen, politischen oder miltärischen Prämissen zu völlig anderen Ergebnissen kommt, ist selbstverständlich. Hier geht es einzig um die christliche Sicht der Dinge!

Lieber Vater Alexeij!
Bitte zeigen Sie mir, wo ich mich irre!
Denn "wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernunftgründe überzeugt werde; ... so bin ich durch die Stellen der heiligen Schrift, die ich angeführt habe, überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Worte Gottes. Daher kann und will ich nichts widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen!“
L.
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Priester Alexej
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Re: Nationale Kirchen und Patriotismus

Beitrag von Priester Alexej »

Lieber Lazzaro,

soweit ich weiß, gibt es das Wort Patriotismus nicht in der Bibel, desswegen müssen wir unsere Einstellung zu dem Thema aus der Bibel herleiten und uns auf die Heiligen Väter und die Tradition der Kirche Berufen.

Die Trennung in 3 große Völker, die bis heute besteht, findet bereits vor dem Turmbau zu Babel statt, nämlich in Gen. 9 25-27.

Die Trennung der Sprachen war die Folge einer Sünde. Aber - was ist für die Menschheit letzlich das Bessere - eine Sprache oder viele Sprachen? Der Seelige Hieronimus schreibt dazu: "Ihre Übereinstimmung war schlecht, und die Zerstreung tat grade denen gut, die in der Zerstreung waren. Ähnlich verhällt es sich mit dem Essen von Fleisch und Milchprodukten - es ist eine Folge der Sünde, aber es wird uns nicht verboten.

Vergessen wir letztlich nicht, dass es im alten Testament sogar ein auserwähltes Volk Gottes gab, dass Gott segnete. Würde Gott etwas segen, was an sich schlecht ist?

Ich habe nicht verstand, was die zitierte Stelle aus der Apostelgeschichte zu dem Thema beitragen soll. Die Apostel haben die Gnadengabe bekommen, in verschiedenen Sprachen zu reden. Steht dort völlig wertfrei.

Im Neuen Testament müssen wir zwischen zwei Dingen unterscheiden, dem Geistlichen und dem Irdischen. Über das Geistliche sagt der Apostel: „Ihr seid alle durch den Glauben Söhne Gottes in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus (als Gewand) angelegt. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid «einer» in Christus Jesus.“ (Gal 3, 26-28) Dazu hatte ich bereits geschrieben:
Jedoch wird hier der Kontext oft übersehen. Es geht dem Apostel an dieser Stelle überhaupt nicht darum, Nationalität und Volk für unwichtig für einen Christen zu erklären. ... Der Apostel möchte an dieser Stelle vielmehr zeigen, dass vor Gott, vor dem Gericht Gottes alle gleich sein werden, und dass die Juden aufhören, das auserwählte Volk zu sein. Johannes Chrysostomus schreibt darüber: „Ein Mensch, der vordem Hellene und Jude und Sklave war, wandelt nun einher in der Gestalt nicht eines Engels, nicht eines Erzengels, nein, des Alleinherrschers selber und vergegenwärtigt Christus in seiner Person.“ Und obwohl, anders als im alten Testament („Sie wunderten sich, dass er mit einer Frau sprach“ (Joh 2, 27)), es bei der Vergöttlichung keine Rolle spielt, ob jemand eine Frau oder ein Grieche ist, bleibt eine Frau eine Frau und ein Grieche ein Grieche.
Mit anderen Worten - wenn es im Neuen Tesament eine unterscheindung zwischen Frauen und Männern gibt, dann gibt es auch eine Unterscheidung von Völkern. In den Apostelbriefen wird viel darüber geschrieben, dass die Nationalität keien Rolle mehr spielt. Die Feststellungen beziehen sich aber alle samt auf die geistliche Demension. Die Apostel schreiben an Gemeinden, deren Grundlage die Juden bildeten, für die das Prinzip der nationalen Zugehörigkeit von soteriologischer Bedeutung war. Das mussten die Apostel verneinen.

Über das Irdische schreibt der Apostel aber: „ich habe gewünscht, verflucht zu sein von Christus weg für meine Brüder, meine Verwandten nach dem Fleisch“ (Röm 9, 3).

Und hier kommen wir zu einer Definition des Patriotismus. Mit dem Text im deutschen Wikipedia bin ich nicht einverstanden, deshalb übersetze ich etwas aus dem Russischen:

"Der Patriotismus ist ein moralisches und politisches Prinzip, ein soziales Gefühl, das die Liebe zum Vaterland und die Bereitschaft, die eigenen Interessen den Interessen des Vaterlandes unterzuordnen zum Inhalt hat."

Ein Patriot ist für mich also in erster Linie jemand der bereit ist, für sein Vaterland zu sterben. Ist das christlich?

Wer ist ein Patriot für euch?
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Igor
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Re: Nationale Kirchen und Patriotismus

Beitrag von Igor »

Grüß Gott,

ich habe mal ein geschätztes Werk über die deutsche Sprache, den Duden, für die Definition heran gezogen – als autoritative Alternative zur deutschen Wikipedia.
Patriotismus

Bedeutung: [begeisterte] Liebe zum Vaterland; vaterländische Gesinnung

Synonyme zu Patriotismus:
  • Heimatgefühl (Gefühl einer engen Beziehung zur Heimat),
  • Heimatliebe (Liebe zur Heimat),
  • Liebe zum Vaterland,
  • Nationalgefühl (Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Nation; Nationalbewusstsein),
  • vaterländische Gesinnung;
  • (gehoben, oft emotional) Vaterlandsliebe (Liebe, Gefühl der Zugehörigkeit zum eigenen Vaterland)
Herkunft: französisch patriotisme
Quelle: http://www.duden.de/rechtschreibung/Patriotismus

Interessant wird es beim Patrioten selbst, da kommt in der deutschen Sprache doch eher der negative Akzent zum Tragen. Das lässt sich mit einigen unheilvollen Geschehnissen der letzten Jahrhunderte begründen, als Patriotismus oftmals missbraucht worden ist:

Patriot

Bedeutung: jemand, der von Patriotismus erfüllt, patriotisch gesinnt ist

Beispiel: ein begeisterter, fanatischer, verblendeter Patriot

Synonyme zu Patriot und Patriotin:
  • Nationalist, Nationalistin;
  • (abwertend) Chauvinist, Chauvinistin
Herkunft: französisch patriote = Vaterlandsfreund < spätlateinisch patriota = Landsmann < griechisch patriṓtēs, eigentlich = jemand, der aus demselben Geschlecht stammt, zu: patḗr (Genitiv: patrós) = Vater
Quelle: http://www.duden.de/rechtschreibung/Patriot_Nationalist

Der Vollständigkeit halber noch das Adjektiv, in dem dieser Sachverhalt nochmal zum Tragen kommt:
patriotisch

Bedeutung: auf Patriotismus beruhend, von ihm erfüllt, zeugend; national (b), vaterländisch

Synonyme zu patriotisch:
  • national;
  • (gehoben, oft emotional) heimatliebend, vaterlandsliebend;
  • (gehoben, oft emotional, auch abwertend) vaterländisch;
  • (abwertend) chauvinistisch, nationalistisch
Herkunft: französisch patriotique < spätlateinisch patrioticus = heimatlich < griechisch patriōtikós
Quelle: http://www.duden.de/rechtschreibung/patriotisch

Zusammengefasst hat Patriotismus im deutschen Sprachgebrauch verstärkt einen eher negativen Unterton, was in anderen Sprachen nicht zwingend genau so ist. Damit sind sicherlich auch einige der Differenzen im Zugang zum Verhältnis Patriotismus und Rechtgläubigkeit zu erklären.

In Christo
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Lazzaro
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Re: Nationale Kirchen und Patriotismus

Beitrag von Lazzaro »

Zur Ergänzung noch die größere Schwester, das Grimmsche Wörterbuch:
http://urts55.uni-trier.de:8080/Projekte/DWB

PATRIOT, m. , im 16. jahrh. entlehnt aus franz. patriote vom mlat. patriota.
1) wie franz. patriote, vaterlandsfreund:
darumb, ihr liebe patrioten ..
laszt euch nit schrecken dise namen.
Fischart 3, 299 Kurz;
ein trewer patriot, acta publica u. s. w. (Breslau 1865) 7 vom j. 1618;
der gröszte staat ist schwach, der ungezählte heere,
doch keine patrioten hat.
Uz 1, 282;
vielleicht zwar ist auch der patriot bei mir nicht ganz erstickt, obgleich das lob eines eifrigen patrioten, nach meiner denkungsart, das allerletzte ist, wornach ich geitzen würde; des patrioten nehmlich, der mich vergessen lehrte, dasz ich ein weltbürger sein sollte. Lessing (an Gleim). 12, 125;
[Bd. 13, Sp. 1505]

o jüngling! werde patriot,
und bleibs im leben und im tod!
Lavater nachgel. schriften 3, 116;

dann weint der patriot an deiner katakombe.der junge
Göthe 1, 86;
der moderne patriot. J. G. Jacobi 6, 57; Börne war patriot vom wirbel bis zur zehe, und das vaterland war seine ganze liebe. H. Heine 12, 34. 205. — zusammensetzungen z. b. patriotenblut Hölty 159 Halm; patrioteneifer Sturz 1, 73; patriotenruhm Matthisson (1816) 355.
2) wie mlat. patriota, einheimischer, landsmann: in dasselbe (consilium) kann niemand als eingesessene patrioten ... angenommen werden. Micrälius 2, 433.

PATRIOTISCH, adj. und adv., im 18. jahrh. gebildet nach franz. patriotique, mlat. patrioticus, vaterlandsliebend, aus vaterlandsliebe hervorgegangen, ihr dienend: patriotische phantasien von Möser, vergl. J. G. Jacobi 6, 59; vielleicht würde ... die zunft patriotischer werden. Klopstock 12, 9; der patriotisch eifernde mann. Seume spazierg. 264;
die göttin singt mein patriotisch lied!
Herder 1, 252 H.;
auch auf patriotische reisen wurde er geschickt, um stimmen zu werben für eine ersatzwahl. Auerbach ges. schriften 14, 157

PATRIOTISMUS, m., neulat. bildung, woraus franz. patriotisme, vaterlandsliebe: so grosz ist sein (des Bremers) patriotismus. Möser 1, 36; der ächteste patriotismus belebet mich. 97; was ich von dem übertriebenen patriotismus einflieszen lassen, war weiter nichts als eine allgemeine betrachtung. Lessing 12, 127; selbstgefälliger patriotismus. Göthe 28, 187.
Lazzaro
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Re: Nationale Kirchen und Patriotismus

Beitrag von Lazzaro »

Vater Alexeij hat geschrieben:
Mit anderen Worten - wenn es im Neuen Tesament eine unterscheindung zwischen Frauen und Männern gibt, dann gibt es auch eine Unterscheidung von Völkern. In den Apostelbriefen wird viel darüber geschrieben, dass die Nationalität keien Rolle mehr spielt. Die Feststellungen beziehen sich aber alle samt auf die geistliche Demension. Die Apostel schreiben an Gemeinden, deren Grundlage die Juden bildeten, für die das Prinzip der nationalen Zugehörigkeit von soteriologischer Bedeutung war. Das mussten die Apostel verneinen.
Punkt. Ende.
Das sagt die Heilige Schrift: Im Heilskontext sind Nationalität und Heimatort völlig irrelevant, damit auch jede Form von Patriotismus. Da er also im christlichen Kontext nicht vorkommt, hat sich der sogenannte "christliche Patriotismus" nun doch entgültig als Phantom erwiesen.
Gelobet sei Gott und der Vater unsers HERRN Jesu Christi, der uns gesegnet hat mit allerlei geistlichem Segen in himmlischen Gütern durch Christum; wie er uns denn erwählt hat durch denselben, ehe der Welt Grund gelegt war, daß wir sollten sein heilig und unsträflich vor ihm in der Liebe; und hat uns verordnet zur Kindschaft gegen sich selbst durch Jesum Christum nach dem Wohlgefallen seines Willens, zu Lob seiner herrlichen Gnade.
(Eph. 1,3-6a)
Lieber Vater Alexeij!
Da hat dir irgendwer einen ganz großen Bären aufgebunden.
Lazarus
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Igor
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Re: Nationale Kirchen und Patriotismus

Beitrag von Igor »

Der folgende Artikel beleuchtet das Thema "Christentum und Patriotismus" insbesondere unter Beachtung der Spezifika unseres Landes und seiner Geschichte; Autor ist der sächsische ev.-luth. Landesbischof Jochen Bohl.

:arrow: Jochen Bohl: "Christentum und Patriotismus"
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Re: Nationale Kirchen und Patriotismus

Beitrag von Lazzaro »

Ich habe es gerade gelesen. Vielen Dank für die vernünftigen und klugen Worte.
Lazarus
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Re: Nationale Kirchen und Patriotismus

Beitrag von Ehemaliger »

Lieber Vater,

dass ich dir nicht zugehört haben soll trifft mich, denn ich meine es sehr wohl getan zu habnne. Was ich nicht getan habe ist auf viele Punkte deiner Argumentation einzugehen.

Dein Ansatz erscheint mir 'hinter'fragenswürdig, da er verschiedene Dinge als gegeben voraussetzt, die es durch aus nicht sind

1. Der Begriff "Nation" ist nicht klar abzugrenzen. Von welcher Seite man auch herangeht, es geht schief.

1a) Alle Bewohner eines Staatsgebiet. Argument: Und was ist mit denen, die keine Staatsbürger aber wohnhaft in Staat A sind? Oder die, die ausgewandert sind? Was ist mit den Gebieten, die erst 60 Jahre (davor viele hunderte von Jahren sehr wohl) nicht mehr zu Deutschland gehörig, oder vor 150 Jahren noch Österreichisch waren? Den selben Gedanken kann man bezüglich Lemberg haben
1b) Pass. Und was ist mit denen, die ihren Pass abgegeben haben? ODer denen, die einfach noch keinen haben, oder keinen wollen ? Die auch patriotisch lieben?
1c) Kulturkreis. Was ist mit den Lederhosendeuschen in Minnesota oder denen in Südafrika? Die auch oder wenn Einen, warum die nicht?
1d) gemeinsammes Schicksal, also jetzt auch all denen, die in D leben, die mit uns das Schicksal teilen, aber gar keine Deutsche sein wollen?
1f) Rasse und Co sparen wir uns, ja?

und so hätte ich noch eine ganze Reihe von Unterpunkten.

Du möchtest gerne das Liebesgebot in Anschlag bringen. Also, dass wir ja unsere Familie lieben . . . und das so langsam auf das ganze Volk ausdehnen.
Zum einen: In keiner anderen Gemeinschaft werden so viele Morde begangen wie ausgerechnet in der Familie. Familien sind in der Regel nur theoretisch ein Hort der Liebe, tatsächlich ein Ort grosser Probleme und Auseinandersetzungen. Und das im allerwörtlichsten Sinne. Die Scheidungsraten liegen bei rund 50% und in einer "Normalschulklasse" hier in Schweden leben weniger als 35% der KInder in intakten familiären Verhältnissen. Also, Familienliebe ist eher die Ausnahme als die Regel. Und ich vermute mal, das ist nichts ganz Neues, in der Schrift heisst das Gebot: "Du sollst Vater und Mutter EHREN". Von dort her können wir ihn nicht aufbauen, den Patriotismus.- Und auch nicht mit "Ja, aber eigentlich ..."

Zum Anderen: Wenn der Herr von Liebe geredet hat, so hat Er meistens die geistliche Gemeinschaft genannt: Dies hier sind meine Mutter und meine Geschwister, die den Willen des Vaters tun.
Oder Er hat es generalisiert: Liebe deinen Nächsten. Und, ich hatte es schon erwähnt, zur Erläuterung des "Nächsten" hat Er einen ausgesucht,. der eben genau NICHT aus dem Volk Israel war. Also nix mit Patriotismus.

Das Missionsgebot bezieht sich ausdrücklich auf die ganze Erde! Nirgendwo steht etwas von irgeneiner Bevorzugung der Juden nach der Auferstehung . . deine Interpretation mit Mann/Frau <-> Jude/Grieche ist schlicht falsch. Es spielt KEINE Rolle, wie auch immer, aus welchem Stamm jemand ist. Ich soll alle lieben und nicht "alle, aber die da bisschen mehr".

Dieses Letzte "ein bisschen mehr, oder von mir aus anders" ist auch meine allergrundsätzlichste Kritik am Patriotismus. Es wird wieder ein "wir <-> ihr" aufgebaut. Sag nicht, das stimme nicht, denn wenn wir keinen wir <-> ihr Unterschied machen, dann ist der Patriotismus überflüssig. Was er denn auch tatsächlich ist.

Duu sagst, ich soll langsam machen mit dem Umgehen,mit dem Begriff, es sei eine der Traditionen der Orthodoxie.
1. Ich masse mir nicht an, über Patriotismus anderer an sich zu urteilen, ich aber bin der Auffassung, er sei überflüssig.
2. NIRGENDWO lese ich etwas über die religiöse Verpflichtetheit des Patriotismus in der Orthodoxie. Er ist ein spätes Dazugekommenes, das die Sympathie von z.B. des hl Vaters Johannes v Kronstadt hat. Und auch wenn es 12 Heilige wären, die ihn guthiessen: Patriot sein und Christ sein haben nichts miteinander zu tun! An dieser Stelle sind mir die Ausführungen des Herrn oder auch des hl Apostels wichtiger als die Meinung eines Patriarchen.

In brüderlicher Liebe
Benedikt

P.S. Dass ich mein Leben für andere Menschen im Ernstfall geben würde, na, ich bin mir da nicht so ganz sicher, aber bereit dazu bin ich. Und das müssen keine Deutschen sein!!!
Zuletzt geändert von Ehemaliger am 13.11.2012, 18:35, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Nationale Kirchen und Patriotismus

Beitrag von Priester Alexej »

Ihr Lieben,

ich habe zwei ganz konkrete Fragen gestellt, ohne die ich persönlich in der Diskussion nicht weiter gehen kann. Könntet ihr sie beantworten?
Diakon Alexej hat geschrieben:Ein Patriot ist für mich also in erster Linie jemand der bereit ist, für sein Vaterland zu sterben. Ist das christlich?

Wer ist ein Patriot für euch?
Apostolischer Kanon 39 (32): Priester und Diakonen sollen ohne Wissen und Willen des Bischofs Nichts thun: denn dieser ist's, welchem das Volk des Herrn anvertraut worden, und von welchem Rechenschaft über ihre Seelen gefordert werden wird.
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Re: Nationale Kirchen und Patriotismus

Beitrag von Ehemaliger »

Lieber Vater,

was ein Patriot ist weiss ich nicht. Ich habe dir ja meine Schwierigkeiten damit aufgezeigt. Am ehesten: Er ist ein Konstrukt , eine personalisierte Vaterlandsliebe, die Bier besser als Wein oder Sangria findet; eine Meinung, die sich an als wichtig geglaubten Dinge eines Stammes/Volkes/Stadt/oder so etwas festmacht oder begründet; (ja, Vater, auch Fussball- oder Eishockeyliebhaber tragen solch eine Form von 'Patriotismus an sich. Mach dich da mal lieber nicht lustig darüber). Immerhin sind zur Zeit die grössten Exzesse von "Wir" in Fussballstadien
zu erleben. Bitte komm nicht mit der feingeistige Unterscheidung von Patriotismus (lieb) und Nationalismus (bös). Die kommen aus dem gleichen Nest.
Ein Patriot ist einer, der über das "ihr <-> wir" nicht hinauskommt, der wie der Zöllner, dankbar ist,dass er NICHT so ist wie die anderen (ansonsten macht es keinen Sinn sein eigenes Sein als etwas Besonderes zu begreifen). Vielleicht kkönnten wir die Patriotenehre damit retten, dass er/sie sich eben als Glied dieser Gemeinschaft opfert. Schon, aber dann m uyss doch die Frage erlaubst sein, nein, sie MUSS beantwortet werden, warum denn dann gerade dieser Gemeinschaft und nicht einer anderen? Das kann nicht mit der Dinension 'Schicksal' erklärt werden. Immhin bin ich konvertiert!

Für mein Vaterland würde ich nie und nimmer sterben. Und bitte versteh' hier mein UNverstehen: Was soll denn daran CHRISTLICH sein, für ein Land XYZ zu sterben ??? Wir als Christen sind "solche in der Fremde". Wenn für 'Etwas' sterben, dann für das Reich Gottes.
Und wenn es denn sein müsste, dann nur für meine Landsleute. Und das auch nur, wenn die Frage nach Tod oder Leben, Freiheit/Knechtschaft Knopf auf Spitze gestellt ist. Also nicht für das "Deutsche" würde ich sterben, wohl aber für andere Menschen in Deutschland, die aber auch Türken sein könnten.

Liebe Grüsse
Benedikt

P.S. Wenn ich mein Vaterland liebe, dann muss ich mich fragen lassen, warum ich meine Liebe gewichte (ist das Christlich?). Denn es beinhaltet doch, dass ich Frankreich weniger liebe. Sonst gibt Patriotismus keinen Sinn. Aber hier wil ich dann vielleicht dem Vorwurf der verminderten Liebe entgegnen, NEIN, Frankreich auch, wobei dich dann die Falls schliesst.
Denn, wenn Frankreich genauso, warum dann noch überhaupt patriotisch? wenn Frankreich weniger: Hat der Herr das wirklich so gesagt, liebe deinen deutschen Nachbarn wie dich selbst und den Franzosen auch (ein bisschen weniger), oder anders? WO ist denn gesagt, wir hätten in der Liebe Unterschiede zu machen?
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Re: Nationale Kirchen und Patriotismus

Beitrag von Lazzaro »

Lieber Vater Alexeij!
Zwei Antworten:
Ein Patriot ist für mich also in erster Linie jemand der bereit ist, für sein Vaterland zu sterben. Ist das christlich?
Nein das ist dumm.
Entschuldige bitte die spontane und plumpe Antwort aus dem Bauch heraus, aber Kriege machen die Regierungen, die Bevölkerung ist, was meine Lebenszeit betrifft, häufig anderer Meinung. Man stirbt also nicht für das Vaterland, sondern für die Regierung.
Wer ist ein Patriot für euch?
Hier fällt es mir wesentlicher schwerer zu antworten. Generell natürlich jemand, der sein Vaterland liebt, aber das zeigt sich so verschieden, wie wir Menschen sind. Dazu braucht es vor allem auch kein dramatisches Heldentum. Hier mal ein paar konkrete Personen:
- Die ältere Lehrerin, die Sprach- und Integrationskurse anbietet, deutsche Mentalität erklären kann.
- Der Polizist, der jeden Freitagabend in der Eckkneipe anzutreffen ist und mit dem man dort zwanglos alle Schwierigkeiten mit Ordnungshütern und Behörden besprechen kann.
- Der Migrant, der seinen Arbeitskollegen fragt, wo man eine deutsche Flagge kaufen kann.
- Der Pfarrer, der historische Romane schreibt, damit die Flüchtlinge nach dem 2. Weltkrieg ihre neue Heimat besser kennen lernen.
- Der zwischenzeitlich gescheiterte Theologieprofessor, der beginnt, das Neue Testament in seine Landessprache zu übersetzten, weil es noch keine (allgemeine) Übersetzung gibt.

Oder auch mal negativ geantwortet: Otto von Bismarck war trotz seiner unbestrittenden politischen Leistungen bei der Reichsgründung nie ein deutscher Patriot, sondern ist immer ein Preuße geblieben. All seine Politik diente allein der Mehrung des preußischen Einflusses.

Lazarus
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Re: Nationale Kirchen und Patriotismus

Beitrag von Igor »

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Als der Höchste hernieder fuhr, verwirrte Er die Sprachen, zerteilte Er die Völker, nun, da Er Feuerzungen ausgeteilt, ruft Er alle zur Einheit: Einmütig preisen wir deshalb den Heiligen Geist. (Pfingstkondakion im 8. Ton)
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Re: Nationale Kirchen und Patriotismus

Beitrag von Ehemaliger »

Lieber Lazzaro,
ich danke dir fuer deine positiven Beispiele wobei ich dabei nicht immer Patriotismus als Beweggrund vermuten würde sondern Mitmenschlichkeit, Bereitschaft zum Teilen mm.

Ich habe eher ein Bismarck Bild von dem, was Patriotismus ist.


Mir ist die schwarz rot goldene Fahnenflut eher gleichgültig. Einen Wert darin zu erkennen, Deutscher zu sein und damit mehr zu verbinden als eben die Tatsache als dass ich es bin, geht mir ab. Wären meine Eltern nicht geflohen wäre ich heute Pole. Und vor der nächsten Reichstagswahl (die heißt hier wirklich so) werde ich Schwede.

So what?

Und ich bin in die russische Kirche aufgenommen worden, war lange in der Serbischen und bin jetzt Antiochiner.

So what?

Rosen kommen ursprünglich aus Persien. Und alle Hunderassen sind Nachkommen asiatischer Wölfe. Also auch der deutsche Schäferhund, der russische Barsoi und der Pekinese.

So what?

Wichtig ist allein, dass der Herr dahinter steht.

Findet
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Re: Nationale Kirchen und Patriotismus

Beitrag von Priester Alexej »

Ich stimme zu, lieber Igor, ein guter Artikel. Doch allem zustimmen kann ich nicht. Vor allem der Definition:
Wenn ich versuchen sollte, das Phänomen zu definieren, würde ich sagen: Es geht um das Sich-beziehen eines Menschen auf vertraute Ausdrucks- und Gestal tungsformen des gesellschaftlichen Lebens. Patriotismus meint also das Verbundensein mit einer größeren mensch lichen Gemeinschaft; die Bindung an vertraute Formen des sozialen Lebens, an die Kultur eines Landes in Literatur, Musik, darstellender Kunst und Bauwesen ebenso wie den Bezug auf die Politik und ihre Traditionen, auf das Sich-bewegen einer Nation im Reigen der anderen Völker- auch auf den Umgang mit internen Konflikten und die aus all dem resultierenden Prägungen, auf die Wissenschaft und die Religion; neuerdings wird man vielleicht auch den Sport als Bezugsgröße dazurechnen müssen.
Bei dieser Definition geht es um den Menschen, und nicht um das Vaterland.
Lazzaro hat geschrieben:Vater Alexeij hat geschrieben:
Mit anderen Worten - wenn es im Neuen Tesament eine unterscheindung zwischen Frauen und Männern gibt, dann gibt es auch eine Unterscheidung von Völkern. In den Apostelbriefen wird viel darüber geschrieben, dass die Nationalität keien Rolle mehr spielt. Die Feststellungen beziehen sich aber alle samt auf die geistliche Demension. Die Apostel schreiben an Gemeinden, deren Grundlage die Juden bildeten, für die das Prinzip der nationalen Zugehörigkeit von soteriologischer Bedeutung war. Das mussten die Apostel verneinen.
Punkt. Ende.
Das sagt die Heilige Schrift: Im Heilskontext sind Nationalität und Heimatort völlig irrelevant, damit auch jede Form von Patriotismus. Da er also im christlichen Kontext nicht vorkommt, hat sich der sogenannte "christliche Patriotismus" nun doch entgültig als Phantom erwiesen.
Da würde ich den Punkt nicht setzen, denn das wäre inkonsequent. Ja, der Patriotismus ist im Heilskontext irrelevant - absolut richtig. ABER - es geht in der Orthodoxie nicht nur um heilsnotwendige Dinge. Oder zumindest nicht in der engen Art, wie es ein Protestant verstehen würde. Einige Beispiele. Ist Familie Heilsnotwendig? Nein. Ist es Heilsnotwendig, ein guter Vater oder ein guter Sohn zu sein? Etwa auch nicht? Den Nächsten zu lieben? Dankbar zu sein? Heilsnotwednig ist strenggenommen nur unsere Beziehung zu Gott. Für die Errettung reicht es, wenn ich als Einsiedler in den Bergen lebe und bete. Und trotzdem ist nächstenliebe eine christliche Tugend. Tortzdem gab es die Bergpredigt. Und auch im Evangelium geht es nicht nur um das Heilsnotwendige, nicht nur um das Theologische, sondern auch um das Moralische! Das wird leider sehr oft vergessen. Oft kennt sich ein Mensch mit der Theologie super aus, kann alle Verfehlungen von Heterodoxen erklären, aber spricht nicht über die Moral. Vielleicht ist hier ein Einfluss des Protestansismus zu spühren, bei dem Moral de facto nicht notwendig ist.

Selbstverständlich vertrete ich nicht den Phyletismus. Natürlich ist jeder Mensch vor Gott gleich, und beim Jüngsten Gericht werden alle gleich gerichtet werden - Deutsche, Serben, Chinesen. Auch wird ein Mann keinen Vorteil vor einer Frau haben, und ein Vater nicht vor seinem Sohn. ABER - Moral ist für uns nicht weniger wichtig, als die Theologie. Denn nur wenn sich ein Mensch verändert, wenn er in seiner Seele, in seinem moralischen Benehmen benehmen besser wird, hat ein Mensch eine Chance auf die Errettung. Mann kann nicht Gott lieben und seinen Nächsten nicht lieben - das lesen wir in der Heiligen Schrift. Auch lesen wir, dass der Glaube ohne die Taten tot ist.

Die Frage die sich also stellt ist nicht, ob der Patriotismus im engeren Sinne eine soteriologische Bedeutung hat. Sondern - ob er gut ist, demnach eine Tugend darstellt.

Ich hoffe, es werden mir alle zustimmen, dass Vater und Mutter zu ehren und zu lieben eine christliche Tugend ist. Ebenfalls ist es eine Tugend die eigene Frau und die eigenen Kinder zu lieben. Dankbarkeit - ist auch eine Tugend. Sage nicht ich, sagt uns Christus, als zu ihm die zehn Leprakranken kommen. Der oft atheistischen Obrigkeit zu gehörchen - auch tugenhaft! Alles nicht Heilsnotwendig, aber doch förderlich für unsere Errettung. Ich habe vor kurzem in meiner Bibliothek nach dem Stichwort Patriotismus gesucht und nur wenig gefunden. Gestern habe ich aber die Bücher auf der Seite des fünften Gebots aufgeschlagen, und siehe da - die zwölf Heiligen, von denen du, lieber Benedickt, gesprochen hast!

Es ist selbsverständlich, dass ich als Christ meine Familie mehr liebe und beschütze, als jemanden anders. Wenn ein Räuber in euer Haus kommt und eure Mutter oder eure Frau bedroht, ist er eure Pflicht, diese zu beschützen! Wenn ihr in einer Situation seid, in der ihr von zwei nur einen Menschen retter könnt, eure Tochter oder jemanden anderes, für wehn entscheidet ihr euch? Und wer sich in dieser Situation für jemanden anders entscheidet, als für sein Kind, der weiß einfach nicht, was Familie und Liebe ist.

Die Grundlagen des Patriotismus in unserer Kirche bilden also das Fünfte Gebot, sowie die Tugenden der Nächstenliebe und der Dankbarkeit. Es ist meine Pflicht meine Eltern, meine Großeltern, und alle meine Ahnen zu ehren, denn ohne Sie würde es mich garnicht geben. Es ist meine Pflicht, meine Nachbarn, die Bewohner meiner Stadt und meines Landes zu ehren und zu lieben, denn sie sind meine große Familie. Es ist auch meine Pflicht mein Volk zu ehren, denn meine Großväter und Vorfahren haben über Tausend Jahre lang dazu beigetragen, dass es mich gibt, dass ich eine Identität und eine Kultur habe und dass ich ein Christ bin. Millionen meiner Vorfahren haben ihr Leben für ihr Land geopfert, damit es nicht von Tataren, Mongolen und wehm auch immer versklaft und überrollt wird, damit es christlich und orthodox bleibt. Uns es ist die christliche Pflicht eines jeden Menschen dafür seinen Vorfahren für alle diese Dinge dankbar zu sein.

Und es ist auch eine christliche Tugend für sein Vaterland zu sterben. Ja, natürlich für die Menschen, die in diesem Vaterland lebten und leben. "Größere Liebe hat niemand, als diese, daß jemand sein Leben läßt für seine Freunde." (Joh. 15, 13) Interessant, dass hier wieder nicht steht - für irgend jemanden, sondern für seine Freunde.

Lieber Benedikt, du fragst:
Benedikt hat geschrieben:Wenn ich mein Vaterland liebe, dann muss ich mich fragen lassen, warum ich meine Liebe gewichte (ist das Christlich?).
Meine Antwort - ja, das ist christlich. Zu sagen, ich liebe alle, bedeutet zu sagen - ich liebe niemanden. Und Christus hat eben nicht generalisiert, nicht gesagt - "Liebe jeden Menschen auf der Welt". Nein, er hat gesagt: «Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!» Liebe ist nämlich nichts abstracktes, sondern etwas konkretes, etwas auf eine bestimmte Person oder bestimmte Personen bezogene. Niemand von uns kann den Chinesen Liu Tao lieben oder irgendwelche anderen Gefühle zu ihm haben, weil wir ihn nicht kennen. Wir können einander lieben, weil wir uns kennen, wie lieben unsere Familien und Freunde mehr, weil wir sie besser kennen und zu ihnen ein besonderes Verhältnis haben. Wir können auch unser Volk und unser Land lieben, weil wir diesem verbunden sind, weil wir ihre Eigenarten und Besonderheiten kennen, und auch die Menschen, die sie beheimaten, denn wir haben zu ihnen einen Bezug. "Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: Frau, siehe, dein Sohn!" (Joh 19, 26). Obwohl Gott uns alle liebt, hebt das Evangelium hervor "den Jünger, den er liebte". Wie kann das sein? Also ist selbst die Liebe Gottes nicht zu allen gleich. Aber je größer die Gruppe wird, je weniger unsere Beziehung zu einer Gruppe ist, desto abstakter wird auch das Verhältnis.

Es gibt in unserer Gesellschaft (auch in Russland) eine geistliche Krankheit, diese Abstraktion. Die Menschen gehen an Armen Bettlern vorbei, ohne hinzuschauen. In die eigene Gemeinde oder in Weißenhäuser spendet man zwei Euro. Aber - riesige Summen werden aufgebracht, wenn irgendwo in der Welt ein Mensch Hilfe braucht. Und das ist nichts gutes, denn es zeigt, dass die Menschen sich vor ihren Nächsten flüchten, an ihnen vorbeigehen. Und um diesem Deffizit zu entgehen, wendet man sich mit seiner Hilfe, mit seinem Mitgefühl an die Übersee, zu jemandem, zu dem man keinerlei Beziehung oder Bindung aufbauen kann.

Du stellst die Problematik auf, auf wehn man seinen Patriotismus beziehen soll. Hier gibt es mehrere Aspekte. Der Erste - der Nationale. In der Katechese sind mir oft Menschen begegnet, die ein schlechtes Verhältnis zu ihren Eltern hatten. Ich habe immer gesagt - egal, wer eure Eltern sind und wie sie mit euch imgegangen sind, ihr müsst sie ehren und idealerweiße lieben, weil es euch ohne diese Eltern garnicht geben würde. Deshalb denke ich, dass wir auch unsere Vorfahren in Form von unserem Volk auf diese Weiße ehren sollten.

Der Zweite - das Land. Für mich als einem Menschen aus Russland stellen sich viele deiner Fragen garnicht. Es gab in Russland nie einen Nationalismus. Seit jeher besteht dieses Land aus duzenden von Völkern. Alle diese Völker bilden Russland, alle haben es gemeinsam im Krieg verteidigt, aufgebaut und zu seiner Kultur beidgetragen. Meine Frau ist von der Nationaliät her eine Mari, es gibt auch andere Nationalitäten, wie z.B. die Kasachen, die alle in Russland leben und Russland als ihr Vater und Heimatland ansehen, ohne einem Hauch von Nationalismus.

Der Dritte - das Land, in dem man als Migrant oder Gast lebt. Auf der einen Seite kann ich als Migrant über Deutschland nicht als über mein Vaterland sprechen (auch wenn ich einen Deutschen Pass habe). Vielleicht werden es meine Kinder oder Enkel so machen (wie auch viele Russlanddeutsche heute viel mehr Russland, als ihrem Ursprungsland verbunden sind). ABER - es ist meine Heimat, mein Zuhause. Und natürlich liebe ich mein Zuhause, bin diesem über vieles Dankbar, stehe in dessen Schuld und würde es beschützen.

Du schreibst über Probleme in den Familien und in der Gesellschaft. Nun, die meisten Menschen gehen auch nicht in die Kirche, das ist doch aber für uns kein Grund, auch nicht in die Kirche zu gehen? Diese Probleme waren überhaupt der Grund, warum ich angefangen habe, mir Gedanken zu diesem Thema zu machen. Die Menschen in unserer Zeit sind ihrem Land nicht verbunden, genausowenig ihren Familien, ihrer Kirche, ihren Nächsten. Es geht immer nur um das Ego. Der heutige Mensch würde nich in den Krieg ziehen, um seine Mitmenschen zu beschützen - so ein Gefühl gibt es garnicht. Höchstens für den Schutz von seinem Lebensstandart.

Lieber Benedikt, ich hoffe, du hast gemerkt, dass ich eben nicht von einer "personalisierte Vaterlandsliebe" rede, "die Bier besser als Wein oder Sangria findet". Und dass ich verstehe, dass obwohl unser Herr selbst "zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel" (Mat. 15, 24) gekommen ist, sich das Missionsgebot auf die ganze Welt bezieht. Doch gibt es in meiner Antwort viele ABERs, denn man muss zwischen vielen Digen genau unterscheiden. Du willst nichts von einer "Unterscheidung von Patriotismus (lieb) und Nationalismus (bös)" hören, aber wahrscheinlich ist dieser Unwill zu unterscheiden auch der Grund, warum du so eine kategorische Einstellung zu diesem Thema hast.

Ich habe mir bei meiner Antwort die Mühe gegeben, möglich auf alle eure Argumente einzugehen. Ich hoffe, dass ihr das bei euren Antworten auch tut und meinen Beitrag nicht auf 2-3 Thesen reduziert.

IC, D. Alexej
Apostolischer Kanon 39 (32): Priester und Diakonen sollen ohne Wissen und Willen des Bischofs Nichts thun: denn dieser ist's, welchem das Volk des Herrn anvertraut worden, und von welchem Rechenschaft über ihre Seelen gefordert werden wird.
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