Staat und orthodoxe Kirche in Deutschland

Neu in der orthodoxen Kirche - Wie lebe ich als orthodoxer Christ? Alle allgemeinen Fragen rund um die Orthodoxie.
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Alf
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Staat und orthodoxe Kirche in Deutschland

Beitrag von Alf »

Im Reichskonkordat von 1933 ist festgelegt, daß katholische Bischöfe vor dem Ministerpräsidenten, in dem ihr Bistum liegt, einen Treueeid ablegen müssen. Das wird bis heute so gehalten.

Gibt es für orthodoxe Bischöfe in Deutschland eine ähnliche Regel, zumindest wenn ihre Kirche Körperschaft öffentlichen Rechts ist?

Nicht, daß ich es richtig finde, wenn der Staat so einen Eid von Bischöfen fordert! Das ist eben wieder so eine skurrile Regelung aus der Nazizeit, die bis heute gilt. Mir interessiert es "einfach so".
holzi
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Re: Staat und orthodoxe Kirche in Deutschland

Beitrag von holzi »

Diesen Treueeid gab es schon in den älteren Landeskonkordaten auch vor 1933! Nur als Beispiel das Konkordat mit dem Königreich Bayern von 1817, dort ist in Art. XV. der Treueeid auf den Landesherrn festgeschrieben.
Das Christentum nimmt den Menschen, wie er ist, und macht ihn zu dem, was er sein soll. (Adolph Kolping 1813-1865)
Lazzaro
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Re: Staat und orthodoxe Kirche in Deutschland

Beitrag von Lazzaro »

Für die Orthodoxe Kirche gibt es keine solche Regelung, da es auch keinen dem Concordat vegleichbaren Staatsvertrag gibt. Ein orth.-kirchliches Gegenüber hat der deutsche Staat aber auch erst seit der Gründung der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland im Jahre 2010.

Die Eidesfolmel lautet:
»Vor Gott und auf die heiligen Evangelien schwöre und verspreche ich, so wie es einem Bischof geziemt, dem Deutschen Reich und dem Lande ... Treue. Ich schwöre und verspreche, die verfassungsmäßig gebildete Regierung zu achten und von meinem Klerus achten zu lassen. In der pflichtmäßigen Sorge um das Wohl und das Interesse des deutschen Staatswesens werde ich in Ausübung des mir übertragenen Amtes jeden Schaden zu verhüten trachten, der es bedrohen könnte.«
Quelle: http://www.uni-trier.de/fileadmin/fb5/i ... eussen.pdf

Eigentlich ist das heute eine Selbstverständlichkeit für einen kirchlichen Amtsträger so zu handeln, anderseits würde solch ein Amtseid auch nichts bringen, da der "orthodoxe" "Patriotismus" bekanntlicherweise auch noch existiert.
Unabhängig von der Panhäresie des Ethnophiletismus könnten Kleriker schon deshalb Gewissensprobleme bekommen, so sie einen Eid gegenüber dem dt. Staat ernst nehmen, da sie eine andere Staatsangehörigkeit besitzen und daher ihre Patria zu Recht ! ein minimales Maß an Loyalität in Anspruch nehmen darf.

Lazzaro
Lazzaro
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Re: Staat und orthodoxe Kirche in Deutschland

Beitrag von Lazzaro »

Alf hat geschrieben: Nicht, daß ich es richtig finde, wenn der Staat so einen Eid von Bischöfen fordert! Das ist eben wieder so eine skurrile Regelung aus der Nazizeit, die bis heute gilt. Mir interessiert es "einfach so".
Ob so ein Eid richtig ist oder nicht, sei dahingestellt: Immerhin schreibt der Apostel deutlich:
Omnis anima potestatibus sublimioribus subdita sit : non est enim potestas nisi a Deo : quæ autem sunt, a Deo ordinatæ sunt. *
Röm xiij.1


Der Bischöflichr Treueid ist aber keine "skurrile Regelung aus der Nazizeit" sondern eines von vielen Elementen der seit 1000 Jahren gewachsenen Beziehungen zwischen der lateinischen Kirche und dem dt. Staat, bezw. seinem Vorgänger, dem Heiligen Römischen Reich.
Vergleiche auch: http://www.gbv.de/dms/spk/sbb/recht/toc/273340832.pdf

Ich persönlich frage mich, ob es sinvoll ist, Religionsgemeinschaften, die hier erst seit Kurzem anzutreffen sind, unbedingt in dieses System zu hinein pressen zu wollen, wenn sie keine so lange gemeinsame Geschichte mit der dt. Saatlichkeit haben.
Lazarus

* Jeder leiste den Trägern der staatlichen Gewalt den schuldigen Gehorsam. Denn es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede ist von Gott eingesetzt.
Alf
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Re: Staat und orthodoxe Kirche in Deutschland

Beitrag von Alf »

Lazzaro hat geschrieben:Unabhängig von der Panhäresie des Ethnophiletismus könnten Kleriker schon deshalb Gewissensprobleme bekommen, so sie einen Eid gegenüber dem dt. Staat ernst nehmen, da sie eine andere Staatsangehörigkeit besitzen und daher ihre Patria zu Recht ! ein minimales Maß an Loyalität in Anspruch nehmen darf.
Ich dachte bislang, daß der "orthodoxe Patriotismus" hauptsächlich von Jer. 29,7 kommt. Im Kontext ist damit ausgerechnet die fremde Stadt des gegenwärtigen Exils gemeint, nicht die Geburtsstadt oder Heimatstadt. Wenn die ferne Heimat noch ein Anspruch auf Loyalität hätte, dann käme man im Konfliktfall zwischen fernem Heimat- und Gastland auch in einen Normenkonflikt zwischen Patriotismus und Nächstenliebe: Soll ich in meinem Gastland sabotieren und spionieren oder soll ich dort mitkämpfen? Ich denke doch, daß man mitkämpfen muß. Ein bißchen anders wäre es vielleicht, wenn das Gastland die eigene Religion unterdrückt, aber das lassen wir mal beiseite.
Alf
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Re: Staat und orthodoxe Kirche in Deutschland

Beitrag von Alf »

Lazzaro hat geschrieben:Der Bischöflichr Treueid ist aber keine "skurrile Regelung aus der Nazizeit" sondern eines von vielen Elementen der seit 1000 Jahren gewachsenen Beziehungen zwischen der lateinischen Kirche und dem dt. Staat, bezw. seinem Vorgänger, dem Heiligen Römischen Reich.
Vergleiche auch: http://www.gbv.de/dms/spk/sbb/recht/toc/273340832.pdf
Danke für den Literaturhinweis! Sieht interessant aus!
Für das HRR ist ein anderes Verständnis von Kirche und Staat logisch und folgerichtig und aus christlicher Sicht auch akzeptabel, weil das Römische Reich sich sozusagen als einzigen legitimen Staat verstand. der
Bei absolutistischen Monarchien und Nazis ist auch nachvollziehbar, warum man auf so einem Eid besteht; aus kirchlicher Sicht hingegen ist der dann aber erzwungen (also ungültig).
In liberalen Demokratien ist so ein Eid aber wirklich skurril, weil das Bischofsamt sowieso nie in Konkurrenz zum Staat gerät hineinreicht und der Staat seinerseits sich auch nicht in das Amt des Bischofs einmischt.
holzi
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Re: Staat und orthodoxe Kirche in Deutschland

Beitrag von holzi »

Alf hat geschrieben:In liberalen Demokratien ist so ein Eid aber wirklich skurril, weil das Bischofsamt sowieso nie in Konkurrenz zum Staat gerät hineinreicht und der Staat seinerseits sich auch nicht in das Amt des Bischofs einmischt.
Sicher? Die jüngsten Entwicklungen lassen mich da nicht so optimistisch sein.
http://www.rense.com/general78/calif.htm
http://www.breitbart.com/london/2015/08 ... tes-bible/
http://www.cbn.com/tv/2890230367001
[…]
Das Christentum nimmt den Menschen, wie er ist, und macht ihn zu dem, was er sein soll. (Adolph Kolping 1813-1865)
Alf
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Re: Staat und orthodoxe Kirche in Deutschland

Beitrag von Alf »

holzi hat geschrieben:
Alf hat geschrieben:In liberalen Demokratien ist so ein Eid aber wirklich skurril, weil das Bischofsamt sowieso nie in Konkurrenz zum Staat gerät hineinreicht und der Staat seinerseits sich auch nicht in das Amt des Bischofs einmischt.
Sicher? Die jüngsten Entwicklungen lassen mich da nicht so optimistisch sein.
http://www.rense.com/general78/calif.htm
http://www.breitbart.com/london/2015/08 ... tes-bible/
http://www.cbn.com/tv/2890230367001
[…]
Ja, ganz sicher. Wenn der Staat sich vor Gott unerlaubt in kirchliche Dinge einmischt, können die Bischöfe nicht Gott zum Zeugen anrufen, daß sie dies dulden würden. Das ist eben das dumme: Der Eid ist eine religiöse Beteuerungsformel. Man kann auf den Eid nicht vertrauen, wenn man die Axt an die Religion legt.
John Locke, der heute als philosophischer Vordenker des Liberalismus gilt, meinte entsprechend, daß ein Staat alle Religionen tolerieren müßte, außer zweien: Den Atheismus, weil Atheisten der Eid nicht heilig sein kann, und den Katholizismus, weil für sie eine ausländische Macht heilig ist (wobei vielleicht Locke eine andere Meinung sich erlauben würde mit der kath. Kirche nach dem II. Vaticanum).
Da ist freilich vergessen und verwirrt, was die klassische Bedeutung von Liberalismus wirklich ist. Die Sache mit Homosexuellenbekämpfung und "Sexualreform" (als hätte sich die Anatomie der Geschlechtsorgane geändert, daß die Politik jetzt deren Gebrauch im Volk reformieren müßte!) waren Erfindungen der Nationalsozialisten bzw. der Sozialisten und haben mit Liberalismus nichts zu tun. Der klassische Liberalismus schließt insofern an den Glauben der Kirche an, daß jeder Mensch aus seinen eigenen freien Willen gut und schlecht handeln kann und gerechterweise selber die Folgen davon trägt.
Łukasz
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Re: Staat und orthodoxe Kirche in Deutschland

Beitrag von Łukasz »

In dem Treueeid sehe ich auch erstmal nichts verwerfliches, solange ein solcher von den Bischöfen und Priestern nichts verlangt, was im Widerspruch zum orthodoxen Glauben steht. Worin ich das Problem bei den deutschen Kirchensteuer-Kirchen RK und EKD sehe , ist, dass die katholischen und evangelischen Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe und Priester quasi vom deutschen Staat verbeamtet sind, von diesem Staat auch so rechtlich behandelt und entsprechend bezahlt werden, wie echte Beamte. In meinen Augen sind die evangelischen und katholischen Priester mehrheitlich geistlich fett und faul geworden, weil sie sich eben nicht um ihre Finanzen sorgen machen müssen. Wenn man z.B. bedenkt, dass ein Bischof, je nach Bundesland, zwischen 9000 - 10000 € pro Monat als "Gehalt" vom deutschen Staat bekommt, darf man sich nicht wundern, dass die großen Kirchen in Deutschland so lethargisch und staatshörig wirken, und zu allen Dingen des deutschen Staates immer nur brav Ja und Amen sagen. Selbst wenn sie im Widerspruch zu ihrer eigenen Moral oder Kirchendisziplin leben, so hat dies keinen negativen Einfluss auf ihr "Beamtengehalt". Von richtiger Armut und Gehorsam kann da in meinen Augen keine Rede mehr sein, wenn man sich so abhängig vom Staat macht, wie die evangelische und katholische Kirche es hier in Deutschland tut.
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Igor
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Re: Staat und orthodoxe Kirche in Deutschland

Beitrag von Igor »

XB!

Anbei ein Link auf einen interessanten Artikel in der FAZ zum Verhältinis Kirche und Staat, diesmal aus dem Blickwinkel "von der anderen Seite", aus dem eines Staatrechtlers. Interessant, die Zusammenhänge zwischen dem Recht auf Religionsausübung und den anderen grundgesetztlich verankerten Rechten zu verstehen:

:arrow: Religionsfreiheit - Grundgesetzlich irrelevant.
Das Grundgesetz gewährleistet Religionsfreiheit, und zwar für jedwede Religion. Religionsfreiheit heißt nicht nur, dass der Einzelne selbst darüber bestimmen kann, ob er sich zu einer Religion bekennt und, wenn ja, zu welcher. Es heißt auch, dass die Glaubensgemeinschaft den Inhalt ihres Bekenntnisses und die daraus folgenden Verhaltensanforderungen an die Gläubigen selbst bestimmt.

Unter dem Grundgesetz hat der Staat nicht das Recht, einer Religionsgemeinschaft vorzuschreiben, was sie glauben darf und was nicht. Einer Religionsgemeinschaft ist es auch unbenommen, ihre Glaubensüberzeugung als die einzig wahre, jede andere dagegen als irrig zu betrachten. Sie kann sich sogar für religiös verpflichtet halten, den Irrtum zu bekämpfen.

[...]

Davon zu unterscheiden ist allerdings die Frage, welche aus den Glaubensüberzeugungen folgenden Verhaltensanforderungen an die Gläubigen der freiheitliche demokratische Staat hinzunehmen hat und welche er verbieten kann. Dass eine Glaubensgemeinschaft ihren Glaubensinhalt selbst bestimmt, heißt nicht, dass sie ihn ungehindert verwirklichen darf. Zwar fällt auch das Recht, nach den Geboten des Glaubens zu leben, unter den Schutz des Grundrechts der Religionsfreiheit. Es kann aber mit demselben Recht von anderen Gläubigen oder Religionsgemeinschaften, mit anderen Grundrechten, mit wichtigen Gemeinschaftsgütern und mit den allgemeinen Gesetzen des Staates kollidieren und ist deswegen weniger einschränkungsfest als das Selbstbestimmungsrecht über Glaubensinhalte. Freiheit der Religion gibt es in multireligiösen Gesellschaften nur, wenn es keiner Religion gestattet ist, ihre Wahrheit allgemeinverbindlich zu machen.

Der Absolutheitsanspruch der Religionsgemeinschaften kann folglich nicht gegenüber der Allgemeinheit, sondern nur gegenüber den eigenen Gläubigen, also im Innenbereich der Religionsgemeinschaften, Geltung beanspruchen; aber auch dort nur, soweit er freiwillig befolgt wird. Der säkulare Staat darf seine Zwangsgewalt nicht für die Durchsetzung religiöser Normen zur Verfügung stellen. Aber selbst die freiwillige Unterwerfung unter religiöse Normen kann nur in Grenzen hingenommen werden. Diese Grenzen werden durch die unaufgebbaren Grundprinzipien des Grundgesetzes gezogen, allen voran die Menschenwürde.
In Christo
Igor
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Als der Höchste hernieder fuhr, verwirrte Er die Sprachen, zerteilte Er die Völker, nun, da Er Feuerzungen ausgeteilt, ruft Er alle zur Einheit: Einmütig preisen wir deshalb den Heiligen Geist. (Pfingstkondakion im 8. Ton)
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