Lateinischer Ritus innerhalb der Orthodoxen Kirche

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Frater Leo
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Lateinischer Ritus innerhalb der Orthodoxen Kirche

Beitrag von Frater Leo »

Lazzaro hat geschrieben:Hallo ExsurgeDomine!
... mich würde an dieser Stelle aber durchaus auch interessieren, wie ihr als Orthodoxe die tridentische Liturgie seht?
:roll: :roll: :roll: :roll: :roll: :roll: :roll: :roll: :roll: :roll: :roll: NICHT SCHON WIEDER eine Frage zu innerkatholischen Themen? Es ist guter, richtiger und richtig orthodoxer Brauch, sich nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Kirchen einzumischen. * Willst Du orthodox werden oder die tridentinische Messe diskutieren? Wir besuchen sie nicht. Bei uns Gibt es diesen Gegensatz zwischen liberal/neu und konservativ/alt so nicht. Der Unterschied zwischen einer progressiven und einer konservativen Art die Liturgie zu feiern liegt eher in Nuancen und ist für einen Außenstehenden kaum zu bemerken.
Lieber Lazzaro,

was du schreibst, entspricht nicht den Tatsachen.

Auch wenn der Westritus unterhalb der Wahrnehmungsschwelle der meisten Orthodoxen liegt, da in der Regel nicht viel Aufhebens um seine Existenz gemacht wird, so ist er doch gelebte Realität.

Ich habe auch gehört, daß S.H. Patriarch Kyrill Wert darauf legt, daß den Seminaristen im Moskauer Priesterseminar Kenntnisse über die (ursprüngliche) Ritenvielfalt vermittelt werden. Ebenso in Jordanville..

Und mit Blick auf die liturgische Praxis der RKK kursiert im Netz ein Video von einem hochrangigen Mitarbeiter im Phanar, der in dem Interview sinngemäß meinte, wenn die RKK (Lateinischer Ritus) bei der alten Messe geblieben wäre, wäre eine Wiedervereinigung leichter..das wären/sind zwei Liturgien auf Augenhöhe.

Also, zum einen ist die alte weströmische Liturgie gelebte liturgische Praxis in der Hl. Orthodoxie, wenn auch ganz klar in der Minderheit, und zum anderen darf man als Orthodoxer durchaus über Dinge außerhalb der kanonischen Grenzen der eigene Kirche sprechen..oder hast du einen diesbezüglichen Ukas vorliegen? ;-)

Allein in Deutschland gibt es mindestens vier Priester, die mit dem Segen ihrer Bischöfe regelmäßig die Göttliche Liturgie nach der überlieferten Ordnung der römischen Kirche feiern.
Qui vult venire post me, abneget semetipsum, et tollat crucem suam, et sequatur me.
Frater Leo
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Re: Konversion - Herz und Hirn.

Beitrag von Frater Leo »

ExsurgeDomine hat geschrieben:Ich glaube, ich sollte die Differenzen wirklich nicht unterschätzen -- und Lazzaro, deine Anmerkung, daß eine Konversion niemals ihre Ursache in dem Wunsch, daß ich irgendwo ,,weg will" haben sollte, erscheint mir sehr klug. Und hier muß ich sicherlich in aller Ruhe - und im Gebet! - meine Motive ehrlich reflektieren.

In der Auseinandersetzung mit orthodoxer Theologie (zugegeben: derzeit findet das vor allem rein intellektuell statt; ich weiß nicht, ob das ein typisch ,,lateinischer" Charakterzug ist, das glaube ich nicht einmal; es ist aber sicherlich ein Charakterzug, der für mich als Person typisch ist) stoße ich vielfach auf Dinge, die ich (noch) nicht verstehe und auch (noch) nicht mittragen kann. Z.B. bin ich bei einigen Theologen (etwa John Romanides oder John Zizioulas ) auf eine für meine Begriffe starke Mißachtung der Bedeutung und der Möglichkeit der Metaphysik und der natürlichen Theologie gestoßen. Mir fehlt noch der Überblick, um sagen zu können, inwieweit das ,,typisch" für die Orthodoxie ist....aber das wäre sicherlich ein Punkt, an dem ich derzeit offen mein Unverständnis artikulieren muß.

Vermutlich ist es am sinnigsten, nicht auf Ewigkeit, aber ohne klar formulierten zeitlichen Fixpunkt, die orthodoxe und die lateinische Theologie parallel zu studieren, die ostkirchliche und die westliche Liturgie parallel zu besuchen, und so oft sich Gelegenheiten bietet, das konkrete Gespräch zu suchen...mich würde an dieser Stelle aber durchaus auch interessieren, wie ihr als Orthodoxe die tridentische Liturgie seht? Ich besuche seit Jahren hin und wieder die Göttliche Liturgie, bin aber im Alten Ritus der Westkirche zuhause...natürlich ist mir der lateinische Ritus viel vertrauter, aber ich erkenne zwischen GL und dem Vetus Ordo keinen ,,qualitativen" Unterschied, wie ich ihn zwischen GL und Novus Ordo und Vetus und Novus Ordo eindeutig erkenne. Wenn ich eine traditionelle Liturgie beiwohne - das geht mir auch, trotz aller Fremdheit, bei eurer Liturgie so - spüre ich einige Zeit nach dem Gottesdienstbesuch noch die ,,spirituelle Wirkung", ich komme wirklich zur Ruhe und vermag mich wieder neu auf Gott auszurichten.
Welche lateinische Theologie meinst du? Die lateinisch-orthodoxe (Von Hilarius, Leo Magnus, Gregorius Magnus, Beda Venerabilis etc.) oder die lateinisch-schismatische? Zwar hat die scholastische Theologie insbesondere in der russischen Orthodoxie lange die Schultheologie (und auch den Katechismus) geprägt, aber die Wiederentdeckung der Vätertheologie betrachte ich als wichtigen Schritt aus dieser Verengung heraus. Insbesondere denke ich dabei an die eucharistische Ekklesiologie.

Ich bin ebenso wie du im alten Ritus der Westkirche zuhause und sehr dankbar, daß die altehrwürdige Form mit Gnade gefüllt wird durch den Segen meines Bischofs und das Wirken des Hl. Geistes und so ein gewisses Heimatrecht in der Orthodoxie beansprucht, wenn auch derzeit nur auf Indult/Ökonomia Basis (Bis dato gibt es leider kein Westkirchenrecht.)

Aus dem Leben eines orthodxen Lateiners:

Heute Feria V post Dominicam III in Quadragesima.
Stationskirche: Ss. Cosmas und Damian.

In choro: Preces in Laudes und Vesper sowie in Prim und Complet flexis genibus.

Tagesgebet:
Es hochpreise dich, Herr, das selige Fest deiner Heiligen Cosmas und Damian, durch das du ihnen ewige Herrlichkeit, uns aber in unaussprechlicher Vorsehung Hilfe gewährt hast. Durch unseren Herrn Jesum Christum, deinen Sohn, der mit dir lebt und herrscht in der Einheit des Heiligen Geistes als Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
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holzi
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Re: Konversion - Herz und Hirn.

Beitrag von holzi »

Lieber Frater Leo, Ihre Ausführungen zur Anwendung der klassischen römischen Liturgie innerhalb orthodoxer Kirchen sind interessant! Wo in Deutschland gäbe es Gelegenheit, diese Liturgien mitzufeiern? Dass die Westliturgiker innerhalb der Orthodoxie in Deutschland sowas wie die Exoten unter den Exoten sind, dürfte klar sein. Dennoch finde ich den Gedanken reizvoll.
Gerne auch in einem extra Strang.
Das Christentum nimmt den Menschen, wie er ist, und macht ihn zu dem, was er sein soll. (Adolph Kolping 1813-1865)
LukasH
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Re: Konversion - Herz und Hirn.

Beitrag von LukasH »

Eventuell ist hier (u.a.) das Kloster Eisbergen gemeint?
Frater Leo
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Re: Konversion - Herz und Hirn.

Beitrag von Frater Leo »

Kai hat geschrieben:Eventuell ist hier (u.a.) das Kloster Eisbergen gemeint?
Persönlich habe ich bislang aus der Hand von vier verschiedenen Priestern die hl. Kommunion nach weströmischem Ritus empfangen, in Eisbergen residieren aber nur zwei (nach dem Entschlafen des 99jährigen Priors in 2013), aber man munkelt, es sei für Priester nicht unbedingt karrierefördernd, wenn sie das an "die große Glocke hängen". (Für die Freunde der alten Messe in der RKK nichts unbekanntes ;-) ..mehr gerne per PN) Deswegen (und aus anderen Gründen) führt der orth. Westritus noch ein Schatten- oder Nischendasein. Insbesondere in den USA gibt es jedoch deutlich mehr Gemeinden bzw. Missionsstationen (unter der Jurisdiktion der Auslandskirche und der antiochenischen Kirche). Ich schätze die Zahl der kanonisch-orth. Priester auf 50-70 weltweit.

Auch auf dem Athos gab es bis zum Ausgang des Mittelalters ein orth. Benediktinerkloster.

Dennoch wird der Westritus kontrovers diskutiert...denn es gibt verschiedene Vorstellung von Tradition und (Re-)inkorporation in die Orthodoxie von heute und manche Hierarchen sehen ihn recht kritisch, sei es aus prinzipiellen Erwägungen, es sei aus der Art seiner Umsetzung oder aus persönlichen Ressentiments heraus.

Seitdem der Moskauer Synod 1908 eine entsprechende Vorlage approbierte, ist zwar viel Zeit vergangen, aber viele Fragen harren noch der Beantwortung. So versucht jeder Priester das Beste aus der Lage zu machen. Insbesondere für Konvertiten aus der rk Tradi-Szene* oft frustierend, gemessen am Ideal einer funktionierenden Hl. Ritenkongregation..

*Auch aus dem persönlichem Umfeld des Erzbischofs (M. L.) ..gerade wer viel auf Reisen ist, betet zwar die Stunden nach dem benediktinisch-monastischen Brevier, aber nimmt sonn- und feiertags an einer "Normalritus"-Gemeinde an der hl. Messe (= Göttlichen Liturgie) teil. Wer aber auf dem Sinai, im Hl. Land oder auf dem Athos zu kommunizieren gedenkt, sollte sich im Vorfeld Gedanken über die Art seiner Aufnahme machen. Die russische Kirche nimmt zwar auch durch Beichte und Erstkommunion oder Myronsalbung auf, aber das wird nicht überall als ausreichend betrachtet.
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Frater Leo
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Re: Konversion - Herz und Hirn.

Beitrag von Frater Leo »

holzi hat geschrieben:Lieber Frater Leo, Ihre Ausführungen zur Anwendung der klassischen römischen Liturgie innerhalb orthodoxer Kirchen sind interessant! Wo in Deutschland gäbe es Gelegenheit, diese Liturgien mitzufeiern? Dass die Westliturgiker innerhalb der Orthodoxie in Deutschland sowas wie die Exoten unter den Exoten sind, dürfte klar sein. Dennoch finde ich den Gedanken reizvoll.
Gerne auch in einem extra Strang.
Lieber Holzi,

ist unter Foranten nicht das Duzen üblich?

Dein/Ihr

Fr. Leo


Was sind hier die Gepflogenheiten?

Noch zwei Literaturhinweise:

http://www.pravmir.com/what-do-we-make- ... tern-rite/

http://www.svots.edu/voices/seminarians ... stern-rite
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Re: Konversion - Herz und Hirn.

Beitrag von holzi »

Frater Leo hat geschrieben:Lieber Holzi,

ist unter Foranten nicht das Duzen üblich?

Dein/Ihr

Fr. Leo


Was sind hier die Gepflogenheiten?
Lieber Frater Leo, doch eigentlich ist das Duzen durchaus üblich, bei Klerikern dagegen eher das Sie.
Da du uns nun aber das Du angeboten hast, bleiben wir dabei!
Das Christentum nimmt den Menschen, wie er ist, und macht ihn zu dem, was er sein soll. (Adolph Kolping 1813-1865)
Lazzaro
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Re: Konversion - Herz und Hirn.

Beitrag von Lazzaro »

Lieber Frater Leo!
Willkommen im Forum.
Punkt 1: Ich halte eine Orthodoxie im röm. Ritus theoretisch durchaus für möglich, habe aber Zweifel, ob sie praktisch sinnvoll ist.
Punkt 2: Ich habe zu Hause auch das alte benediktinische Stundenlob und benutze es auch zuweilen. Meine eigene Gebetsregel basiert in Teilen auf diesen Fundament.

Wo drückt der Schuh? Ein paar lose Gedanken.
- Im tridentinischen Ritus ist die Stille Messe die Norm, orthodox geht das gar nicht. Eine ortodoxe Liturgie, römisch oder griechisch muß Dialogisch aufgebaut und gesungen sein, das wird im trid.-röm. Ritus nur im Hochamt gemacht.
- Grundsätzlich fehlt so etwas wie ein gemeinsamer optischer "Stallgruch". Man müßte den röm. Ritus wieder an die gemeinsame Tradition angleichen. Minnimum ist ein freistehender Altar und hohe Chorschranken und auch Ziborium mit Vorhang, wie in Sta. Maria in Cosmedin zu Rom oder in Torcello.
https://commons.wikimedia.org/wiki/Cate ... stasis.jpg
https://de.wikipedia.org/wiki/Santa_Mar ... icht_2.jpg
- Theologisch schwierig finde ich, das im röm Canon missae nicht mehr die alte Reihenfolge von Anamnese, Einsetzungsbericht, Epiklese und Diptichen vorhanden ist. Susanne Hausamman hat geschrieben, warum das wichtig ist, ich habe aber keine Zeit das rauszusuchen und nachzuarbeiten.
- Grundsätzlich braucht der christliche Westen dringend die griechische (und aramäische) Kirche als Korrektiv. Die lateinische Theologie ist meiner Meinung nach viel zu sehr von Tertullian und Augustinus geprägt, und hat da bis heute eine Schlagseite. Seit dem Konzil von Aachen (809) ist der theolg. Austausch praktisch zum Erliegen gekommen. Ausnahmen bestätigen die Regel. Ich befürchte daß, wenn jemand im trident. Ritus verbleiben will, die griechische Theologie ihn nicht richtig durchdringen kann.
- Eine genuin römisch-orth. Liturgie wäre der alte Ritus aus dem karolinischen St. Gallen. Die Bücher sind da. Ihn aber zu revitalisieren ist aus pastoraler Sicht -mit Verlaub- Quatsch.
- Es fehlt eine größere Anzahl von Gläubigen, weshalb die Gefahr besteht , daß ein röm-orth. Gottesdienst religiös seltsame Personen anzieht.
- Es ist einfach religiös gesünder, sich einer funktionierenden byzantinischen Gemeinde anzuschließen, als zu zweit oder dritt eine römische Minnikirche aus einer abgerissenen Tradition zu Erschaffen.
- Die abgerissene lat.-orthodoxe Tradition ist eh das Hauptargument. Sie ist einfach nicht mehr lebendig. Alle Neuanfänge leben oder vegitieren mit eben diesem Makel.
Lazarus, gleichermaßen griechisch orthodox und öffentlich bekennender Lateiner

Ps: Exsurge Domine, geh und suche eine orthodoxe Gemeinde auf, statt über die Unterschiede zu Hause nachzugrübeln.
Zuletzt geändert von Lazzaro am 23.03.2017, 20:13, insgesamt 1-mal geändert.
Lazzaro
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Re: Konversion - Herz und Hirn.

Beitrag von Lazzaro »

Frater Leo hat geschrieben: ... zum anderen darf man als Orthodoxer durchaus über Dinge außerhalb der kanonischen Grenzen der eigene Kirche sprechen... oder...? ;-)
Man darf schon. Ich habe aber inzwischen gelernt, daß das Einmischungsverbot sehr hilfreich ist, wenn man ahnt, daß dem fragenden Katholiken die Antwort nicht gefallen wird. :lol:
L.
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Re: Konversion - Herz und Hirn.

Beitrag von Frater Leo »

holzi hat geschrieben:
Frater Leo hat geschrieben:Lieber Holzi,

ist unter Foranten nicht das Duzen üblich?

Dein/Ihr

Fr. Leo


Was sind hier die Gepflogenheiten?
Lieber Frater Leo, doch eigentlich ist das Duzen durchaus üblich, bei Klerikern dagegen eher das Sie.
Da du uns nun aber das Du angeboten hast, bleiben wir dabei!
Ja, sehr gerne!
Qui vult venire post me, abneget semetipsum, et tollat crucem suam, et sequatur me.
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Re: Konversion - Herz und Hirn.

Beitrag von Frater Leo »

Lazzaro hat geschrieben:Lieber Frater Leo!
Willkommen im Forum.
Punkt 1: Ich halte eine Orthodoxie im röm. Ritus theoretisch durchaus für möglich, habe aber Zweifel, ob sie praktisch sinnvoll ist.
Punkt 2: Ich habe zu Hause auch das alte benediktinische Stundenlob und benutze es auch zuweilen. Meine eigene Gebetsregel basiert in Teilen auf diesen Fundament.

Wo drückt der Schuh? Ein paar lose Gedanken.
- Im tridentinischen Ritus ist die Stille Messe die Norm, orthodox geht das gar nicht. Eine ortodoxe Liturgie, römisch oder griechisch muß Dialogisch aufgebaut und gesungen sein, das wird im trid.-röm. Ritus nur im Hochamt gemacht.
- Grundsätzlich fehlt so etwas wie ein gemeinsamer optischer "Stallgruch". Man müßte den röm. Ritus wieder an die gemeinsame Tradition angleichen. Minnimum ist ein freistehender Altar und hohe Chorschranken und auch Ziborium mit Vorhang, wie in Sta. Maria in Cosmedin zu Rom oder in Torcello.
https://commons.wikimedia.org/wiki/Cate ... stasis.jpg
https://de.wikipedia.org/wiki/Santa_Mar ... icht_2.jpg
- Theologisch schwierig finde ich, das im röm Canon missae nicht mehr die alte Reihenfolge von Anamnese, Einsetzungsbericht, Epiklese und Diptichen vorhanden ist. Susanne Hausamman hat geschrieben, warum das wichtig ist, ich habe aber keine Zeit das rauszusuchen und nachzuarbeiten.
- Grundsätzlich braucht der christliche Westen dringend die griechische (und aramäische) Kirche als Korrektiv. Die lateinische Theologie ist meiner Meinung nach viel zu sehr von Tertullian und Augustinus geprägt, und hat da bis heute eine Schlagseite. Seit dem Konzil von Aachen (809) ist der theolg. Austausch praktisch zum Erliegen gekommen. Ausnahmen bestätigen die Regel. Ich befürchte daß, wenn jemand im trident. Ritus verbleiben will, die griechische Theologie ihn nicht richtig durchdringen kann.
- Eine genuin römisch-orth. Liturgie wäre der alte Ritus aus dem karolinischen St. Gallen. Die Bücher sind da. Ihn aber zu revitalisieren ist aus pastoraler Sicht -mit Verlaub- Quatsch.
- Es fehlt eine größere Anzahl von Gläubigen, weshalb die Gefahr besteht , daß ein röm-orth. Gottesdienst religiös seltsame Personen anzieht.
- Es ist einfach religiös gesünder, sich einer funktionierenden byzantinischen Gemeinde anzuschließen, als zu zweit oder dritt eine römische Minnikirche aus einer abgerissenen Tradition zu Erschaffen.
- Die abgerissene lat.-orthodoxe Tradition ist eh das Hauptargument. Sie ist einfach nicht mehr lebendig. Alle Neuanfänge leben oder vegitieren mit eben diesem Makel.
Lazarus, gleichermaßen griechisch orthodox und öffentlich bekennender Lateiner

Ps: Exsurge Domine, geh und suche eine orthodoxe Gemeinde auf, statt über die Unterschiede zu Hause nachzugrübeln.
Lieber Lazzaro,

herzlichen Dank für den Willkommensgruß!

Mir fällt es nicht leicht, deine Ausführungen unter einen Hut zu bekommen: einerseits qualifizierst du das Unterfangen des Orthodoxen Westritus für sinnlos, andererseits trittst du selbst den Beweis an, daß die westliche Tradition - in welchem Maß auch immer - durchaus sinnvoll sein kann, da das benediktinische Brevier Teil deiner Gebetsregel ist.

Zum Hauptargument der "abgerissenen Tradition": Die Tradition, die lex orandi der (orthodoxen) römischen Kirche, wurde auch während des (noch andauernden) Schismas weiter tradiert (bis diese im 20. Jh. von der "RKK" weitestgehend aufgegeben wurde). Wenn nun diese Heterodoxen in die Kirche zurückfinden und die Hirten es für recht erachten, sie mitsam ihrem liturgischen Erbe die Schwellen der Kirche passieren zu lassen, so ist dies etwas anderes als einen historischen Zustand (sagen wir die Liturgie der Westkirche um dasJahr 1054) zu rekonstruieren. Vielmehr verhält es sich so, daß dieses spezifische liturgische, theologische und kulturelle Erbe durch die Maschen des Dogmas gesiebt wird: Was mit dem Dogma unvereinbar ist, ist auszusieben. Grundregel: Sowenig Änderungen, wie möglich, keine Ritenvermischung (wobei klar ist, daß keine Personen verehrt werden können, so heilig wie ihr Lebenswandel auch war, wenn sie während ihrer Peregrinatio auf Erden nicht in der vollen Gemeinschaft mit der Kirche standen, sprich keine Verehrung "postschismatischer Heiliger").

Andere gehen weiter und sagen: Auch was mit den Kanones und der östlichen Tradition unvereinbar ist bzw. scheint, ist auszusieben. Dann würde aber dermaßen fundamental in den überlieferten römischen Ritus eingegriffen, daß er vollends delegitimiert wäre.

Und das läßt sich bereits in nuce am Beispiel des Canons, der weströmischen Anaphora, zeigen:

Hält man ihn für defizient und verbesserungswürdig, stellt man sich nicht nur insoweit auf eine fragwürdige Position, da in den Kontroversen in den Jahrhunderten vor und nach 1054 alles mögliche diskutiert und in Abrede gestellt wurde, aber nie der Canon an sich. Wenn er keine Anaphora wäre, der gleiches Existenzrecht wie ihre östlichen Gegenstücke und vor allem die gleiche Wirkung zukommt, dann wären die östlichen Kirchen über Jahrhunderte - ohne jegliche Beanstandung ihrerseits - mit einer Nicht-Kirche in Gemeinschaft gewesen, denn Kirche ist nur dort, wo eine stiftungsgemäße Eucharistie dargebracht und gereicht wird.

Es ist ein durch und durch modernes Phänomen in die Ferne zu schweifen und das Exotische schöner zu finden als das eigene. Die Basilius-Anaphora: was für eine Gesamtschau, was für eine harmonische (und trinitarisch-ökonomische) Abfolge, welche wunderschöne Passagen in der Jakobusanaphora - Keine Frage!

Will man liturgiewissenschaftlich argumentieren, so ist unbestreitbar, daß es zwei unterschiedliche Traditionen gibt: die antiochenische und die alexandrinisch-römische. In dieser ist der Einsetzungsbericht in den epikletischen Teil integriert, in jener in den anamnetischen.

Das hohe Alter der Markusliturgie und der römischen wird auch durch jüngere Funde, wie die Straßburg und Barcelona Fragmente gestützt. Und es ist gerade der für uns heutige (und schon für Luther) befremdliche Eindruck des "Nicht-voll-durchkomponierten" der einen Hinweis auf das hohe Alter gibt, ebenso die Abwesenheit einer expliziten Bitte um Sendung des Hl. Geistes zur Verwandlung der Gaben.

Aber aus diesem gefühlten oder eingebildeten Mangel heraus, Hand an den Text zu legen, der seit Gregor dem Großen nahezu einheitlich und unverändert über ganz Westeuropa hinweg 1400 Jahre überliefert wurde, ist schlichtweg Hybris. Statt mit einer Frau Hausamann halte ich es da lieber mit dem hl. Nikolaus Kabasilas, der dem römischen Canon seine Konformität mit den Grundsätzen der Orthodoxie bestätigt.

Das Problem liegt auf einer anderen Ebene als der des Textes: seit dem der Westen sich aus dem Gesamtzusammenhang der Theologie gelöst und im Zeitalter der sich ausbildenden Scholastik neue Wege beschritten hat, finden die Resultate dieser neuen theologischen Methode auch im Ritual der Elevation unmittelbar nach dem Brot- und Kelchwort ihren Niederschlag. Die Festlegung auf einen Konsekrationsmoment bei den nun Wandlungsworte genannten Herrenworten, wird dem Canon gemäß der altkirchlichen Hermeneutik und den Ausführungen des hl. Nikolaus Kabasilas nicht gerecht (Engel übertragen nicht den Herrenleib, weder in die eine noch in die andere Richtung, wohl aber überbringen sie unsere Gebete und eben haec, was nebenbei ein völlig unpassender Ausdruck wäre, wenn das "Brot des Lebens" und der "Kelch des Heiles" (Epitheta) bereits verwandelt wären). Die Konsekration geschieht am himmlischen Altar, von dem auch die Gläubigen empfangen. Brot und Wein und mit und durch sie auch die ganze darbringende Gemeinde wird in die himmlische Liturgie mithineingenommen. Mithin ist die Konsekration erst mit der Strophe "Supplices te rogamus" als abgeschlossen zu betrachten (nun auch im Text expressis verbis als Corpus et Sanguis Domini bezeichnet), woraus folgt, daß sowohl Elevation als auch anbetende Genuflexion beim Einsetzungsbericht verfrüht ist, m.a.W. das Problem liegt nicht beim Text, sondern bei den Rubriken.

Man kann diese altertümliche Form der Epiklese auch als anabatisch (aufsteigend) bezeichnen; - im Gegensatz zu den katabatischen (herabsteigenden) Epiklesen der östlichen Anaphoren. Sie bezwecken letztlich alle dasselbe, bringen es nur anders zum Ausdruck.

Daß dies alles mit, im und durch den Hl. Geist geschieht, läßt die Wendung in unitate (in Einheit) in der Doxologie erkennen. Hier war zurecht auch nach den älteren römischen Ordines der Zeitpunkt der Elevation.

Ich wünsche einen gesegneten Sonntag,
Fr. Leo

P.S. Was genau meinst du mit St. Gallener Meßordo?
P.P.S. Wie weit darf den der Altar an die Ostwand gerückt werden, um noch als freistehend zu gelten? Und warum scheint dir das so unabdingbar?
P.P.P.S. Die Lesungen der zweiten Nokturn heutigen Sonntagsvigil sind vom hl. Basilius dem Großen (Homilia I über das Fasten, Nr. 5-6 - im "rk" Brevier ab 1955 übrigens gestrichen), die der dritten vom hl. Augustinus. Es ist ja nicht so, daß die griechischsprachigen Theologen nicht zu Gehör kämen, aber wie verhält sich das umgekehrt?
Qui vult venire post me, abneget semetipsum, et tollat crucem suam, et sequatur me.
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Re: Konversion - Herz und Hirn.

Beitrag von Lazzaro »

Lieber Frater Leo!
Ich bin weder explizit dafür noch explitit gegen ein lateinisches Uniatentum, ich haltes es einfach für schwierig. In meiner Eparchie sind der byzantinische Ritus und die russischen Gebräuche zwingend vorgeschrieben. Im öffentlichen Gottesdienst und bei allem, was ich im Auftrage / mit dem Segen der Kirche bete, gilt die Ordnung meines Bischofs. Punkt. Was ich privat mache, ist eine andere Sache und es gibt keinen Unterschied ob ich abends die byzant. oder lat. Psalmenfolge bete.
Römische Orthodoxie ist für mich etwas zwischen einer netten intelektuelle Spielerei und eine private Auseinandersetzung mit meiner rel. Biographie.

Ich habe auch weder etwas gegen noch für die Brauchbarkeit des röm. Canaon missae gesagt, sondern nur festgestellt, daß sein Gebrauch in der OK schwierig ist, was du ja auch bestätigt hast. Insbesondere der theologische Einfluß der Scholastik; ich denke, wir sind da ähnlicher Ansicht.
Mir fällt es nicht leicht, deine Ausführungen unter einen Hut zu bekommen: einerseits qualifizierst du das Unterfangen des Orthodoxen Westritus für sinnlos, andererseits trittst du selbst den Beweis an, daß die westliche Tradition - in welchem Maß auch immer - durchaus sinnvoll sein kann ...
Ja das ist so. Hier zeigt sich die Weite der griechischen Orthodoxie, die Betonung liegt hier bei griechisch. Es muß nicht alles bis ins Letzte ausdiskutiert werden, es darf ein Spielraum bleiben, in dem man sich bewegen kann. Das ist in der Tat eine andere Denkweise als die römische, die ich aber essenziell für das Christentum halte, weshalb ich die griechische eindeutig preferiere. Andere mögen das anders sehen, das ist in Ordnung.
P.S. Was genau meinst du mit St. Gallener Meßordo?
Das exakte Zelebrieren mit diesem:
http://www.e-codices.unifr.ch/de/description/csg/0341/
und ähnlichen Büchern.
P.P.S. Wie weit darf den der Altar an die Ostwand gerückt werden, um noch als freistehend zu gelten? Und warum scheint dir das so unabdingbar?
Der Altar muß so weit von der Wand weg sein, daß der Bischof auf seinem Thron dahinter den Gottesdienst leiten kann. Wie man das architektonisch macht, ist egal. Das ist allgemeiner altchristlicher und gemeinsamer Brauch und steht meiner Meinung nach deswegen nicht zur Disposition.
P.P.P.S. Die Lesungen der zweiten Nokturn heutigen Sonntagsvigil sind vom hl. Basilius dem Großen (Homilia I über das Fasten, Nr. 5-6 - im "rk" Brevier ab 1955 übrigens gestrichen), die der dritten vom hl. Augustinus. Es ist ja nicht so, daß die griechischsprachigen Theologen nicht zu Gehör kämen, aber wie verhält sich das umgekehrt?
Bei mir im Usus montecassinus / benediktinischem Stundenlob (Inprimatur 1962-63) steht sie drin. Was zeigt, daß das der benediktinische Brauch bewahrender als der römische ist. Genau wegen solcher und ähnlicher Details halte ich das bend. Stundenlob für "orthodoxer" als die röm. Eucharistiefeier.

Zusammenfassung (für ExsugeDomine und andere angehende Orthodoxe): Solange in Deutschland nicht wie in Amerika mehrere ganze Gemeinden geschlossen kovertieren, ist für Konvertiten ein Rituswechsel und eine langsame Veränderung der eigenen Mentalität in der Regel der einzig gangbare Weg. Wer gundsätzlich keine Veränderungen in seinem Leben wünscht, sollte sich überlegen, ob eine Konversion sinnvoll ist. Das ist jetzt eher eine psychologische, denn theolog. Sicht.
Theologisch gesehen, kann man aber auch eine Art "kulturelles Exil in der Kirche" um des Himmelreiches willen akzeptieren.
Auch hier haben wir wieder einen Spannungsbogen, den wir hier nicht auflösen müssen, sondern der uns 2 Punkte aufzeigt, zwischen denen wir unseren Platz finden müssen.

Lazarus
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Lateinischer Ritus innerhalb der Orthodoxen Kirche

Beitrag von Frater Leo »

Die Zeit vor Ostern weist liturgisch eine Reihe von Eigentümlichkeiten auf: das Halleluja ist bereits seit dem Sonntag Septuagesima (neunter Sonntag vor Ostern) verstummt.

Mit dem letzten Sonntag (Dominica de Passione) hat die Passionszeit begonnen:

Am Samstag zuvor werden in den Kirchen alle Kruzifixe und Bilder des Herrn und der Heiligen verhüllt.

Bis zur Vesper am Karsamstag fällt das Gloria Patri (Ehre sei dem Vater..) im Invitatorium der Matutin, in den Responsorien, im Asperges (Antiphon zur Austeilung des Weihwassers am Sonntag), im Introitus, am Schluß des Psalmes Lavabo (Ps. 25) sowie der Psalm Judica (Ps. 42) nebst Gloria Patri aus.

Die Suffragia sistieren.

Seit Aschermittwoch tragen Diakon und Subdiakon, sofern vorhanden, in den Ferial- und Sonntagsmessen (außer am Sonntag Laetare, dem 4. Sonntag in der Quadragesima) die planeta plicata, eine vorne gekürzte Kasel (entspricht dem byzantinischen Phelonion).
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Re: Lateinischer Ritus innerhalb der Orthodoxen Kirche

Beitrag von Frater Leo »

Frater Leo hat geschrieben:Die Zeit vor Ostern weist liturgisch eine Reihe von Eigentümlichkeiten auf: das Halleluja ist bereits seit dem Sonntag Septuagesima (neunter Sonntag vor Ostern) verstummt.
Ebenso das Te Deum am Schluß der Matutin und das Gloria in excelsis in der Messe.

Vesper, Matutin und Laudes haben eigene Hymnen, die Meßpräfation ist propria (seit letztem Sonntag vom hl. Kreuz).
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Re: Lateinischer Ritus innerhalb der Orthodoxen Kirche

Beitrag von Frater Leo »

Frater Leo hat geschrieben:Die Zeit vor Ostern weist liturgisch eine Reihe von Eigentümlichkeiten auf: das Halleluja ist bereits seit dem Sonntag Septuagesima (neunter Sonntag vor Ostern) verstummt.
Anstelle des Alleluja am Schluß der Eröffnung jeder Hore tritt der Ruf: Laus tibi, Domine, Rex aeternae gloriae. ("Lob sei dir, Christe, König der ewigen Herrlichkeit.")
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