Nikolaj hat geschrieben:In 1. Kor. 11:19 gebraucht der Apostel Paulus das Wort Häresien um Lehren oder Schulen zu beschreiben, die nötig sind, damit durch die gemeinsame Diskussion die Wahrheit ans Licht komme.
Ich glaube, das ist sehr wichtig. Man kann ja nicht vermeiden, daß man selber in seinen Gedanken irrt, nur sollte man sich in seinem Irrtum nicht von der Kirche isolieren, durch die man wieder zurückfindet zur Wahrheit. Interessant ist auch, daß der Vorwurf der Häresie fast nur Kleriker und manchmal Kaiser betraf, der normale Laiengläubige aber kaum dadurch Probleme bekam.
Nikolaj hat geschrieben:Interessant ist auch Apg. 24,5 wo von der Häresie der Nazoräer gesprochen wird. Hierbei ist Häresie nicht als Abweichung von der Lehre sondern mehr als theologische Schule gebraucht. Die Nazoräer waren keine Häresie im heutigen Wortsinn sondern im damaligen Sinn, wobei eine Häresie auch eine philosophie Schule sein konnte.
Nazoräer gaben ein zeitlich begrenztes Gelübde ab, wobei manche ein Lebenslanges Gelübde abgaben. Das hat Ähnlichkeit mit dem heutigen Mönchtum. Wenn wir nun sagen, dass Herätiker nicht errettet werden können, sind dann alle Mönche verdammt?
In Apg. 24,5 redet ja ein jüdischer Hoherpriester vor dem römischen Statthalter, um Paulus anzuklagen. Er bezichtigt Paulus der Unruhestiftung durch die Verbreitung einer neuen Lehre, die der Hohepriester falsch nennt. Da wird "Häresie" also durchaus im Sinne von "falscher Lehre" benutzt, nur haben eben nicht Christen das Monopol auf diesen Begriff.
Die geweihten Nasiräer (4. Mose 6) sind nach überwiegender Auffassung nicht dasselbe wie Nazoräer (Anhänger eines Mannes aus Nazareth, also Jesu).
Nikolaj hat geschrieben:Ich glaube, dass auch heute eher eine Zeit wäre, bei der wir gemeinsam mit Katholiken oder auch Protestanten einen Dialog führen müssen, bei dem wir die Wahrheit ans Licht bringen müssen. Es ist klar, dass wir nicht von unserer Lehre abweichen müssen. Natürlich bedarf es aber zum Dialog immer zwei Personen.
Abgesehen von ein paar wirklich interessierten weiß man auf katholischer und protestantischer Seite sehr wenig über die christliche Orthodoxie. Da kennt man sich besser mit Islam oder Judentum aus. Womöglich hat Luther einfach nicht gewußt, daß in der Orthodoxie seine ursprünglichen und wichtigsten Kritikpunkte an der päpstlichen Kirche nicht greifen (Kommunion unter beiderlei Gestalten, Liturgie in der Landessprache, mehr Betonung auf dem Glauben und der Bibel anstatt auf der Scholastik, daher kein Fegefeuer und auch kein Ablaßhandel). Anschließend ist er im Groll über die Ablehung aus Rom auf wirklich häretische Gedanken gekommen.